Süddeutsche Zeitung

Interview am Morgen: Mieten:"Stoppzeichen für internationale Immobilienunternehmen"

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Mieteraktivist Rouzbeh Taheri will große Immobiliengesellschaften in Berlin per Volksbegehren enteignen - und bekommt viel Unterstützung. Spekulanten sollten um ihre Investitionen fürchten, findet er.

Interview von Jan Heidtmann, Berlin

"Deutsche Wohnen und Co. Enteignen", lautet die Forderung, die Aktivisten dieser Berliner Initiative seit gut zwei Jahren stellen. Jetzt haben sie mit dem nächsten Schritt auf dem Weg zu einem Volksbegehren begonnen. Sollte dies Erfolg haben, würden Immobiliengesellschaften in Berlin, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen, vergesellschaftet werden. Der Start der Initiative war vielversprechend: Statt der im ersten Schritt notwendigen 20000 Unterschriften bekam sie 70000. Rouzbeh Taheri, 47, ist seit Jahren Mieteraktivist und hat die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen" mitbegründet.

Süddeutsche Zeitung: An diesem Freitag haben Sie die zweite Runde auf dem Weg zum Volksbegehren begonnen. Sind Sie mit dem Auftakt zufrieden?

Rouzbeh Taheri: Ja, es läuft super. Die Zahl derjenigen, die sich engagieren wollen, ging schon am Freitag steil nach oben. Wir mussten unsere Presseerklärung dreimal korrigieren, von 1300 neuen Aktivisten auf 1700. Was die Unterschriften selbst angeht, lohnt sich eine erste Schätzung so in drei, vier Wochen.

Damit sie einen Volksentscheid initiieren können, brauchen sie in den kommenden vier Monaten 175000 gültige Unterschriften. Kann das klappen?

Wir wollen sogar mehr bekommen, einfach, um auf der sicheren Seite zu sein. Ich bin da sehr zuversichtlich. Gäbe es kein Corona, hätten wir die in zwei, drei Monaten zusammen. So ist es etwas zäher, es sind weniger Menschen auf den Straßen und die Unterschriften müssen analog vorliegen. Deshalb kann man sich jetzt auch über das Internet eine Unterschriftenliste und einen Freiumschlag herunterladen.

Ihrer Initiative geht es darum, Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu enteignen. Was versprechen Sie sich davon?

Erstmal können sich die Mieterinnen und Mieter dann sicher sein, dass sie sich ihre Wohnung nicht nur heute und morgen, sondern auch übermorgen noch leisten können. Aber die Initiative soll auch ein Stoppzeichen für internationale Immobilienunternehmen sein, die die Preise auf dem Berliner Immobilienmarkt mit ihren Aufkäufen massiv nach oben treiben. Deren Investitionen in der Stadt sind dann nicht mehr sicher.

Der Berliner Senat aus SPD, Linken und Grünen tut bereits viel, um diese Preisspirale zu durchbrechen. Warum noch die Enteignungen?

Es ist richtig, der Senat kauft Häuser auf, das aber zu horrenden Preisen. Die Unternehmen werden also für ihre Spekulation noch belohnt. Der Mietendeckel wiederum, der hilft tatsächlich, gilt nur für insgesamt fünf Jahre. Uns geht es um eine langfristige Lösung.

Sie berufen sich dabei auf Artikel 15 des Grundgesetzes und wollen die Unternehmen für die Vergesellschaftung entschädigen.

Da sind viele Zahlen im Umlauf. Der Senat meint, das würde irgendwo zwischen 20 und 28 Milliarden Euro kosten. Unsere Experten gehen davon aus, dass der Preis eher zwischen acht und 13 Milliarden Euro liegt. Wir würden nämlich nur den Einstandspreis zahlen und nicht den Spekulationsgewinn.

Ihre Gegner sagen, ihre Initiative würde den Neubau abwürgen und zudem auch Genossenschaften treffen.

Ja, das wird immer von interessierter Seite gesagt. Aber Genossenschaften, kirchliche und andere nicht profitorientierte Träger sind explizit ausgenommen. Kann jeder nachlesen. Was den Neubau angeht: Wir wollen erstmal den Bestand schützen, das ist richtig. Aber kein Bauunternehmen, dass die sozialen Spielregeln einhält, muss in Berlin um seine Investition fürchten. Spekulanten aber schon.

Das eigentliche Volksbegehren soll mit der Berlin-Wahl im September stattfinden. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass der Zuspruch schwindet. 36 Prozent der Befragten sind für Enteignungen, 51 Prozent dagegen.

Die Umfrage ist von der CDU Berlin in Auftrag gegeben worden, einige Fragen sind schon sehr suggestiv. Trotzdem wissen wir, dass wir noch eine Menge Menschen überzeugen müssen. Aber selbst laut dieser Umfrage ist schon weit über ein Drittel dafür, die Großunternehmen zu vergesellschaften. Und bis zum eigentlichen Volksbegehren sind es noch sieben Monate.

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