Süddeutsche Zeitung

Deutsche Tibet-Politik:Merkel arrangierte Treffen mit Dalai Lama

Lesezeit: 1 min

In der SPD gibt es Unmut darüber, dass der Dalai Lama mit Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul zusammentrifft. Offenbar war es die Kanzlerin höchstpersönlich, die dafür sorgte, dass das religiöse Oberhaupt der Tibeter doch von einem Regierungsmitglied empfangen wird.

Susanne Höll

Das Treffen von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) mit dem Dalai Lama am kommenden Montag hat zu erheblichen Verstimmungen in der Regierung und in der großen Koalition geführt.

Weder Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch die Sozialdemokraten im Bundestag seien über das Vorhaben der Ministerin informiert gewesen, das geistliche Oberhaupt der Tibeter zu treffen, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Kolbow während eines Besuchs in Peking. China hatte vehement dagegen protestiert, dass der Dalai Lama einen Gesprächstermin mit einem Kabinettsmitglied erhält.

In Regierungskreisen hieß es am Donnerstag, Kanzlerin Angela Merkel habe ohne Wissen der übrigen Minister, auch Steinmeiers, am Zustandekommen des Termins am Montag im Hotel Adlon mitgewirkt. Zunächst war kein Treffen eines Regierungsmitglieds mit dem Dalai Lama vorgesehen, wohl aber zahlreiche Begegnungen mit Politikern der Union aus Bund und Ländern.

Merkel selbst, die den Dalai Lama im vorigen September im Kanzleramt empfangen und damit die chinesische Führung erheblich verärgert hatte, hätte ein Treffen wegen der aktuellen politischen Lage diesmal auch dann abgelehnt, wenn sie nicht auf Südamerika-Reise wäre.

Merkel: Das verstehen die Bürger überhaupt nicht

Andererseits habe der Kanzlerin nicht behagt, dass überhaupt kein Mitglied der Bundesregierung den Dalai Lama treffen würde, hieß es in den Regierungskreisen. "Das verstehen die Bürger überhaupt nicht", wurde Merkel zitiert. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) habe daraufhin seine Bereitschaft zu einer Begegnung erklärt, ebenso Wieczorek-Zeul.

Merkel habe der Entwicklungshilfeministerin den Vorzug gegeben, auch aus parteipolitischen Gründen, und habe sie das auf Umwegen auch wissen lassen. Steinmeier, der seit dem Treffen Merkels mit dem Dalai Lama solche Begegnungen offen missbilligt, habe von der Verabredung erst am Dienstag erfahren.

Mit Blick auf Berichte, wonach der Außenminister auf seiner Russland-Reise höchst verärgert über diese Nachricht gewesen sei, hieß es in den Regierungskreisen: "Steinmeier und Wieczorek-Zeul müssen vielleicht einmal zusammen eine Tasse Kaffee trinken."

Zum Auftakt seiner Deutschlandreise traf der Dalai Lama mit Hessens Ministerpräsident Roland Koch und dem nordrhein-westfälischen Regierungschef Jürgen Rüttgers (beide CDU) zusammen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.215343
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.05.2008/bosw
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.