Deutsche Stiftungen in Russland:Das Echo der Diktaturen

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Der Druck auf die im Ausland arbeitenden parteinahen Stiftungen wächst. Der Verdacht ist dabei stets der gleiche: Den Deutschen wird unterstellt, sich in die Innenpolitik einzumischen.

Von Daniel Brössler, Berlin

Vor einigen Monaten zog Lars Peter Schmidt, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Russland, eine erste Bilanz nach der Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml. In dem vierseitigen Länderbericht erwähnte er auch ein von Putin unterschriebenes Gesetz, das Organisationen mit westlichen Geldgebern zwingt, sich als "ausländische Agenten" zu registrieren.

"Wie sich das Gesetz konkret auf die Arbeitspraxis der deutschen politischen Stiftungen auswirken wird, bleibt abzuwarten", schrieb Schmidt. Das Warten hat ein Ende. Am Dienstag trugen Beamte mehrere Computer aus dem Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Petersburg. Sie seien ohne Gerichtsbeschluss beschlagnahmt worden, teilte Schmidt mit.

Die deutschen Stiftungen sind in den Sog einer Justizkampagne gegen Nichtregierungsorganisationen in Russland gezogen worden. Nicht zum ersten Mal geraten sie mit ihrer Arbeit damit ins Visier der Mächtigen. Auch anderswo - in China etwa, der Türkei und zuletzt vor allem auch in Ägypten - gab und gibt es Druck auf die parteinahen Stiftungen aus Deutschland. Der Verdacht ist dabei stets der gleiche: Den Deutschen wird unterstellt, sich in die Innenpolitik einzumischen.

Aufgabe Demokratieexport

In gewisser Weise trifft dieser Vorwurf sogar zu. Im Kern ist es ja die Aufgabe der Stiftungen, Einfluss zu nehmen. Zu den Leitlinien der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gehört es, "in der Welt die freiheitliche Demokratie" zu fördern; politisch verfolgten Demokraten "ideelle und materielle Hilfe" zu gewähren, ist laut Satzung sogar ein Zweck der Stiftung.

"Demokratie und Entwicklung weltweit fördern", nennt auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) als eine Leitlinie ihrer Arbeit. Ähnliches gilt für die Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah), Heinrich-Böll-Stiftung (Grünen-nah), Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke-nah). Ein wesentlicher Teil der dank staatlicher Zuwendungen erheblichen Finanzkraft der Stiftungen fließt in das, was autoritäre Herrscher als "Demokratieexport" fürchten. Allein die Friedrich-Ebert-Stiftung betreibt 109 Auslandsbüros, selbst die kleinere Heinrich-Böll-Stiftung unterhält Büros in 29 Ländern.

"Autoritären Regimen geht es darum, die Gesellschaft zu kontrollieren. Da sind wir sicher ein Störfaktor", sagt Ralf Fücks, der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung. "Wir treten nicht auf als Missionare, die genau wissen, was gut für Russland oder andere autoritär regierte Gesellschaften ist, sondern wir unterstützen die Kräfte in der Zivilgesellschaft, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten", sagt er. Das seien Nichtregierungsorganisationen, Bürgerinitiativen oder auch unabhängige Medien.

Genau dies freilich missfällt der Führung in Moskau, weshalb sie solche Partner der deutschen Stiftungen zwingt, sich als "ausländische Agenten" zu deklarieren. "Das führt zurück in finstere Zeiten der Sowjetunion", beklagt Fücks. Die Arbeit etwa in Russland oder China sei "immer eine Gratwanderung zwischen dem rechtlichen Rahmen, den wir natürlich akzeptieren müssen, und einer klaren Wertorientierung, die uns auch in Konflikt bringt mit den Regimen".

Damit stehen die Stiftungen mitten im aktuellen Streit über das richtige Auftreten deutscher Demokraten. "Wenn es nach der neuen Gesetzeslage die deutschen politischen Stiftungen in Russland schwerer haben, könnte dies nicht eine Reaktion sein auf manches Überhebliche, das aus Deutschland zu hören ist?", fragte jüngst in der Süddeutschen Zeitung der frühere SPD-Entwicklungshilfeminister Erhard Eppler. Fücks hält solchen Wortmeldungen entgegen, dass es angesichts des Drucks auf deutsche Stiftungen und russische NGOs nicht hilfreich sei, "wenn deutsche Elder Statesmen fordern, sich mit Kritik an der autoritären Entwicklung in Russland zurückzuhalten".

Zumeist freilich können sich die Stiftungen auf Rückendeckung aus der Heimat verlassen, wenn sie unter Druck geraten. Die Durchsuchungen in Büros der Adenauer-Stiftung und der Ebert-Stiftung haben quer durch die Parteien ein empörtes Echo in Berlin gefunden.

Gefährliche Arbeit

Ähnlich hatte es geklungen, nachdem die Adenauer-Stiftung in Kairo ins Visier der Justiz geraten war. Man müsse zur Kenntnis nehmen, "dass wir weltweit beobachtet und misstrauisch beäugt werden", beschrieb der Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung und FDP-Abgeordnete Wolfgang Gerhardt im Februar 2012 in einer Bundestagsdebatte die Lage. "Die Arbeit ist oft schwierig, bisweilen sogar gefährlich", sagte Hans-Ulrich Klose von der SPD. Sie dürfe aber auf keinen Fall eingeschränkt, sondern müsse "fortgesetzt und ausgeweitet" werden.

Falsch wäre allerdings der Eindruck, dass alle Stiftungen bei der Partnerwahl Ausschau halten nach Oppositionellen und Bürgerrechtlern. Die Adenauer-Stiftung etwa sucht traditionell den Kontakt zu Vertretern der Kremlpartei Einiges Russland und organisierte auch Austauschprogramme mit der mitunter grob antiwestlich auftretenden sowie Putin verehrenden Jugendorganisation "Naschi" (Die Unsrigen).

Auch der jüngste Länderbericht der Adenauer-Stiftung aus Moskau setzt auf Ausgleich mit der Führung. "Seit Jahren kritisieren Europa und die USA Mängel im politischen System Russlands. Ein Erfolg dieser Politik ist nicht erkennbar", heißt es da. Intensiviert werden müsse vielmehr der Dialog. Am Dienstag freilich sah sich der KAS-Vorsitzende Hans-Gert Pöttering zu einer Mahnung gezwungen. Die Stiftungen leisteten "einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Jede Behinderung ihrer Arbeit schädigt die demokratische Entwicklung".

© SZ vom 27.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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