Deutsche Politiker in Hochwassergebieten:Mit Gummistiefeln ins Kanzleramt

Je höher der Pegel, desto mehr Politiker sind vor Ort: In den Hochwassergebieten Deutschlands sind Entscheidungsträger aller Parteien unterwegs. Schließlich wurde schon Gerhard Schröder 2002 regelrecht ins Kanzleramt gespült, oder? Politiker in Gummistiefeln - die Bilder.

Deutsche Politiker in Hochwassergebieten

Angela Merkel, 2013 in Passau

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(Foto: dpa)

Je höher der Pegel, desto mehr Politiker sind vor Ort: In den Hochwassergebieten Deutschlands sind Entscheidungsträger aller Parteien unterwegs. Schließlich wurde schon Gerhard Schröder 2002 regelrecht ins Kanzleramt gespült, oder? Politiker in Gummistiefeln - die Bilder. Experten sprechen schon von einer "Jahrhundertflut". Die historische Höchstmarke von 12,50 Metern (1954) in Passau wurde überschritten, in der Altstadt steht meterhoch das Wasser.  Am Tag nach der großen Flut reist Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Dreiflüssestadt Passau, wo Donau, Inn und Ilz zusammenfließen. An der Seite des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (links im Bild) und des Passauer Oberbürgermeisters Jürgen Dupper (rechts im Bild) inspiziert sie das Hochwassergebiet und sichert den betroffenen Regionen 100 Millionen Euro Soforthilfe zu. Möglicherweise müsse der Bund am Ende aber auch noch mehr Hilfe leisten. Die Kanzlerin sagt: "Wenn Bayern heute kommt und mehr Geld braucht, lassen wir mit uns reden." Ihre Tour durch die Hochwasserregionen setzt Merkel in Pirna (Sachsen) und Greiz (Thüringen) fort.  SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hält derweil einen Vortrag an der Freien Universität Berlin. Er werde nicht in die betroffenen Gebiete reisen, heißt es. Steinbrück spricht sich jedoch ebenfalls für schnelle Unterstützung in den Hochwasserregionen aus. Es müsse "auch um konkrete Hilfsangebote gehen, um die Schäden zu begleichen", sagt er.

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Horst Seehofer, 2013 in Rosenheim

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(Foto: dpa)

Am vergangenen Sonntag um 22 Uhr bricht der Damm, die Fluten der Mangfall schießen in die Rosenheimer Innenstadt. 1000 Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen. "Das ist eine katastrophale Entwicklung", sagt ein Sprecher des Krisenstabs im Rosenheimer Landratsamt. Direkt am nächsten Tag kommt Horst Seehofer (CSU) nach Rosenheim. Der bayerische Ministerpräsident zeigt sich betroffen, spricht mit den Einsatzkräften und verspricht finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe, während er knietief im schlammigen Wasser steht. Abends besucht Seehofer auch noch Regensburg, schüttelte dort unzählige Hände und spricht betroffenen Anwohnern Mut zu. Während der ganzen Zeit trägt Seehofer eine signalrote Einsatzjacke des Deutschen Roten Kreuzes.  

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Hans-Peter Friedrich und Stanislaw Tillich, 2013 in Grimma

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(Foto: dpa)

In Sachsen zur Stelle ist Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Gemeinsam mit Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) besucht der CSU-Politiker die Einsatzkräfte der Feuerwehr. Betrachtet man nur die Körpersprache, verweist Tillich Friedrich jedoch in die zweite Reihe. Breitbeinig in Macher-Pose steht der CDU-Mann inmitten der Einsatzkräfte  - und erinnert an die weißhaarige Version des Flutkanzlers Gerhard Schröder. 

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Reiner Haseloff, 2013 in Zeitz

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(Foto: dpa)

Die Signalfarbe Gelb wählt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff. Er schlüpft in seine Gummistiefel ... 

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(Foto: dpa)

... und schichtet Sandsäcke entlang der Weißen Elster in Wetterzeube. Der CDU-Mann gibt sich anpackend und bodenständig. Er spricht unermüdlich mit Einsatzkräften und Bewohnern. 

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(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn es ein Bild gibt, das von Gerhard Schröder (SPD) in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist es dieses: Der Kanzler stapft 2002 an der Seite von Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) durch die verschlammte Innenstadt von Grimma, um die Folgen der ersten "Jahrhundertflut" an Elbe und Donau zu inspizieren. Einen höheren Zupackfaktor gibt´s nicht: Über seinem blütenweißen Hemd trägt Gerhard Schröder eine grüne Regenjacke, sorgenvolle Falten auf der Stirn, die graue Anzughose steckt in schwarzen Gummistiefeln. Nicht wenige sagen, diese Gummistiefel haben die Bundestagswahl vom 22. September 2002 entschieden. In der Woche vor der Flut liegt die SPD in Umfragen sieben Prozentpunkte hinter der Union. Es sind noch sechs Wochen bis zur Wahl. Dann kommt der 14. August - und ändert alles. Während Schröders Herausforderer Edmund Stoiber auf Juist urlaubt, reist der Kanzler in die Hochwassergebiete und präsentiert sich als tatkräftiger Krisenmanager. Es war seine beste Rolle: die des entschlossenen Machers. Es müsse das Prinzip gelten, dass "nach der Flut niemand schlechter gestellt sein darf als vor der Flut", verspricht er kurz darauf in Magdeburg. Die Pegelstände sinken, die Umfragewerte des Kanzlers steigen. Der Rest ist Geschichte: Die rot-grüne Bundesregierung wird wiedergewählt.

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Edmund Stoiber, 2002 in Dresden

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(Foto: DPA-SZ)

21 Tote, Katastrophenalarm, Ausnahmezustand: Die Flut aus dem Jahr 2002 richtet sechs Milliarden Euro Schaden allein in Sachsen an, 9,2 Milliarden Euro bundesweit. Wenige Tage nach Schröder reist Stoiber nach Dresden, stapft ebenfalls mit ernstem Gesicht durch Schlammberge - doch sein Image hat schon derart gelitten, dass die Umfragewerte nicht mehr zu retten sind.

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Edmund Stoiber, 2005 in Loisach

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(Foto: dpa/dpaweb)

Die Kritik von 2002 scheint sich Edmund Stoiber nicht wirklich zu Herzen genommen zu haben. Während eines erneuten Hochwassers im Süden von Bayern im Jahr 2005 reist er in seiner Funktion als Ministerpräsident zwar in die betroffenen Gebiete, kann als Krisenmanager jedoch nicht wirklich überzeugen. In schwarzer Funktionskleidung, ein Bein lässig auf die Sandsäcke gestellt, posiert Stoiber für die Journalisten - ließ sich jedoch von einem Helfer mit einem Regenschirm schützen. Nicht sehr staatsmännisch, spötteln seine Kritiker.  

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Angela Merkel, 2006 in Neu Garge

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(Foto: dpa/dpaweb)

Besser macht es da schon Angela Merkel 2006 in Neu Garge. In Wachsjacke und Gummistiefeln inspiziert sie Deich-Sicherungen und beweist, was man von einer Kanzlerin erwartet: Führungsqualität. 

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(Foto: dpa)

Die Oderflut im Juli 1997 gilt bis dato als die größte bekannte Oder-Überschwemmung und zugleich auch der größte zivile Katastrophen-Einsatz in Deutschland. Mehr als 50.000 Menschen kämpfen an den 167 Kilometer langen Deichen gegen die Wassermassen. 30.000 Soldaten, 4.300 Grenzpolizisten, 7000 Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks, der Polizei und der Feuerwehr, zahlreiche freiwillige Helfer aus der Bevölkerung.  Mehr als 100 Menschen verlieren ihr Leben in den Fluten. Seinen Urlaub in Österreich unterbricht Bundeskanzler Helmut Kohl, gleich zweimal besucht er die Hochwassergebiete, stiefelt zwischen Gebirgen aus Sandsäcken und einer Schlauchboot-Armada herum. Im Bundestag sagt er daraufhin: "Wir müssen den Flüssen ihren Raum lassen, sie holen ihn sich sonst zurück, mit schlimmen Folgen für die Menschen." Der Kanzler gewann an Sympathien, doch das Gesicht der Oderflut wird ein anderer.

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Matthias Platzeck, 1997 auf einem Oderdeich

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(Foto: dpa)

Matthias Platzeck (SPD), damals brandenburgischer Umweltminister, weicht Helmut Kohl nicht von der Seite und packt unermüdlich bei den Aufräumarbeiten mit an. Das bringt ihm den Spitznamen "Deichgraf" ein. Sein Engagement hat sich ausgezahlt. Mittlerweile ist Platzeck Ministerpräsident von Brandenburg und war zwischenzeitlich sogar SPD-Chef. 

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Matthias Platzeck, 2010 auf der Oder

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(Foto: dpa)

Der Riss ist 25 Meter lang. Deichläufer entdecken ihn im Frühjahr 2010  und schlagen sofort Alarm. 3,8 Kilometer hinter der Stelle, wo die Neiße in die Oder mündet, löst sich die Grasdecke. Der lädierte Deich versetzt die Menschen in Brandenburg in große Sorge.  Matthias Platzeck sitzt als einer der ersten im Boot, um die Gefahrenlage in Augenschein zu nehmen. Das erneute Oderhochwasser verläuft glimpflich, man habe aus der Flut von vor 13 Jahren gelernt, heißt es damals. Die sanierten Deiche halten größtenteils, die Evakuierungsmaßnahmen funktionieren schnell und einwandfrei - und erneut bleibt den Menschen das Bild des "Deichgrafen" in Erinnerung. 

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Angela Merkel, 2010 in Frankfurt an der Oder

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(Foto: picture alliance / dpa)

Als die Pegelstände 2010 schon wieder leicht zurückgehen, reist auch Angela Merkel in das Hochwassergebiet. Die Kanzlerin gibt sich dynamisch und tatkräftig, springt in Jeans und flachen Stiefeletten über eine große Pfütze. Sie dankt den Einsatzkräften und Behörden und lobt die Kooperation mit den polnischen Nachbarn.  Was Helmut Kohl 1997 nach der Oder-Flut angestoßen hat, lobt Merkel ausdrücklich: "Es war absolut richtig, diese Vorkehrungen zu treffen." Gegen das Engagement von Matthias Platzeck kommt die Kanzlerin jedoch nicht an. Der steht kurz nach Merkels Statement schon wieder auf einem Deich und sagt pathetisch in die Kameras: "Wir sind erst durch, wenn das Wasser durch ist." 

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Stefan Mappus, 2011 in Wertheim

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das Hochwasser 2011 in der Main-Tauber-Region trifft besonders die Stadt Wertheim.Teile der historischen Altstadt stehen mehr als zehn Tage lang unter Wasser.  Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sagt der Stadt Wertheim eine Hochwasser-Soforthilfe in Höhe von 500.000 Euro zu. "Wir lassen euch nicht hängen", so Mappus, bevor er in ein Boot steigt, um durch die historische Altstadt von Wertheim zu fahren. Genützt hat ihm sein volksnahes Auftreten wenig: Vier Monate später löst Winfried Kretschmann ihn als Ministerpräsident ab.

Deutsche Politiker in Hochwassergebieten

Helmut Schmidt, 1962 in Hamburg

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das erste Beispiel für Gummistiefel-Politik in der BRD findet man in den sechziger Jahren. In der Nacht vom 16. auf den 17.02.1962 trifft eine gewaltige Sturmflut auf die norddeutsche Küste. Die Deiche brechen, 315 Menschen ertrinken, Zigtausende werden obdachlos.  Helmut Schmidt, damals noch SPD-Innensenator, überlegt nicht lange angesichts der katastrophalen Lage. Eigenmächtig holt er die Bundeswehr zur Hilfe - verfassungsrechtlich war das 1962 nicht abgesichert. Dennoch: Schmidts beherztes Eingreifen trägt Früchte,  die "Große Flut" macht ihn zum Volkshelden. In einem Interview mit Abiturienten sagt der spätere Kanzler über seinen Einsatz: "Hier ging es um Menschenleben. Da saßen Tausende auf den Dächern ihrer Wochenendlauben. Die, wenn sie nicht ertranken, erfrieren würden. Ganz abgesehen davon, dass sie nichts zu essen und nichts zu trinken hatten. Sie mussten also so schnell wie möglich geborgen werden. Dazu gab es nur zwei Möglichkeiten: Mit Motorbooten und mit Hubschraubern. Beides hatte die Bundeswehr, deshalb habe ich keine Sekunde gezögert." Wenige Monate später verleiht Helmut Schmidt Dankmedaillen der Hansestadt Hamburg an 400 Soldaten für ihren Einsatz in den Hochwassergebieten (im Bild). 

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