Deutsche Exporte:Waffen für die Welt

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Auch in Saudi Arabien begehrt: Ein deutscher Kampfpanzer vom Typ Leopard 2. (Foto: dpa)

Politische Kontrollen werden unterlaufen, moralische Maßstäbe nicht beachtet: Deutschland beliefert als einer der größten Waffenexporteure der Welt vor allem fragwürdige Staaten. Es ist dringend Zeit für eine Reform.

Ein Kommentar von Joachim Käppner

Deutsche Kanonen hätten einmal beinahe einen ihrer Hersteller das Leben gekostet. 1873 weilte der Schah von Persien in der Gussstahlfabrik der Firma Krupp und besichtigte neues Schießgerät, als ein beladener Karren bedrohlich auf ihn zurollte.

Ein leitender Angestellter namens Richter zog den Herrscher zur Seite, und was dann geschah, wurde so protokolliert: "Als aber seine Begleiter das sahen, legten sie die Hand an die Dolche und machten Anstalten, sich auf Richter zu stürzen, weil er es freventlich gewagt hatte, die heilige Person des Schah zu berühren." Es gelang mit knapper Not, den Kanonenbauer zu retten, und Schah Nasir ad Din bestellte 18 Präzisionsgeschütze, Kaliber 9.

Niebel betreibt Selbstrufmord

Damals gab es noch keine Richtlinien für Waffenexporte. Es gab keine ethischen Vorbehalte. Und es gab nicht den erklärten politischen Willen, solche Ausfuhren nur zu genehmigen, wenn dies "einen Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewaltprävention, der Menschenrechte leistet". Heute gibt es das alles - in der Theorie. In der Praxis ist Deutschland einer der größten Waffenexporteure der Welt, 2013 beliefen sich die Verkäufe auf Rekordniveau. Nur noch wenig mehr als ein Drittel dieser Güter gehen an Partner wie jene der Nato oder der EU; und dann beginnt bald eine Grauzone.

Sinnfällig für eine aus dem Ruder gelaufene Exportpolitik ist der Wechsel von Ex-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel zu einem Rüstungskonzern. Man muss kein Friedensaktivist sein, um es befremdlich zu finden, wenn ein Politiker in eine Branche einsteigt, die er bis eben, als Mitglied des Bundessicherheitsrates, eigentlich kontrollieren sollte. Ein Gebaren, das man nur als Selbstrufmord bezeichnen kann.

Neuer Rheinmetall-Cheflobbyist
:Anschlussverwendung für Dirk Niebel

Entwicklungszusammenarbeit verstand er nicht nur karitativ, sondern immer auch wirtschaftlich motiviert. Als FDP-Entwicklungshilfeminister bewilligte Dirk Niebel mit anderen Ministern den Export von Panzern nach Saudi-Arabien. Jetzt wird er Cheflobbyist beim Rüstungsunternehmen Rheinmetall.

Von Nico Fried

Es ist Zeit für eine Reform der deutschen Waffenexporte. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine solche zwar angekündigt, sich aber dann im Detail widersprüchlich geäußert. Immerhin wurde der Exportbericht zeitiger veröffentlicht. Aber das kann nur ein Anfang sein. Es geht ja nicht darum, Bau und Verkauf von Waffen generell zu verteufeln. Auch demokratische Länder benötigen Rüstungsgüter zur Verteidigung oder für (hoffentlich nur) Friedensmissionen. Stellen sie diese selbst her, vermeiden sie problematische Abhängigkeiten von Lieferstaaten.

Aber das kann nicht rechtfertigen, was seit der Epochenwende 1989 geschieht: Die Rüstungsfirmen, denen der Markt hochgerüsteter Nato-Armeen wegbrach, suchen neue Absatzregionen; die Grenzen der Einschränkungen werden ausgelotet und überschritten. Und die Bundesregierungen haben solche Geschäfte hinter verschlossenen Türen abgesegnet und dem Parlament nachher ungnädig ein paar Informationsbrocken hingeworfen, als befinde man sich in den Zeiten der Kanonenkönige von der Ruhr.

Vielleicht ist die eher unfreiwillige Fusion von Krauss-Maffei Wegmann mit dem französischen Konzern Nexter ja ein Schritt hin zu einer europäischen Rüstungsindustrie. Sie müsste effizienter, arbeitsteiliger und deutlich kleiner sein als derzeit, wo die vielen nationalen Konzerne sich an einem ethisch fragwürdigen Rattenrennen um internationale Aufträge beteiligen.

Auch die afghanische Armee wird Waffen brauchen

Es kann ja tatsächlich Situationen geben, in denen Waffenlieferungen politisch wünschenswert sind - an Freiheitskämpfer, an befreundete Staaten in Not, an bedrängte Völker wie die Bosnier 1995 oder die Libyer 2011 (beide wurden vor allem von den USA ausgerüstet). Auch die afghanische Armee wird, um eine Rückkehr des Talibanterrors zu verhindern, mehr westliche Waffen brauchen, wenn die Nato gescheitert vom Hindukusch abzieht.

Aber solchen Entscheidungen müssen klare, demokratische und möglichst transparente Prozesse vorangehen; im deutschen Fall mit weitreichender Beteiligung des Bundestages, an der es bislang so dringend gefehlt hat.

Das würde es erleichtern, auf Regeln zu pochen, die eigentlich bereits gelten. Weder Saudi-Arabien noch Kolumbien sind Staaten, die für deutsche Waffen infrage kommen. Würden die Saudis je die gewünschten Leopard A2/A7 erhalten, hätten sie modernere Panzer als die Bundeswehr. Das Modell eignet sich für "urban operations", den Kampf in Städten, und damit eindeutig für Einsätze gegen eine Demokratiebewegung auf den Straßen. Welche Gefahren drohen, wenn solche Waffen in falsche Hände fallen, zeigt der Aufstieg der Kalifatsarmee im Irak.

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Sicherlich, es geht um Arbeitsplätze, um den Technologiestandort. Die moralischen Maßstäbe des Exports sind in Deutschland eigentlich viel strenger als anderswo. Aber das ist richtig so. Deutschland hat auch eine andere Geschichte als andere Exportnationen. Es kann nicht stolz darauf sein, im Ranking der Exporteure des Todes weit vorn zu stehen.

© SZ vom 04.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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