Deutsche Einheit:Auf den billigen Plätzen

Warum im Osten die Aggression auf das System wächst.

Von Constanze von Bullion

In jedem Jahr segnet die Bundesregierung den Bericht zum Stand der deutschen Einheit ab. Dann folgt verlässlich Bekümmerung. Ja, der Osten ist wirtschaftlich durchaus vorangekommen. Und nein, er holt den Westen nicht ein. Ostler verdienen schlechter, leben bescheidener und erben so gut wie nichts. Es gibt keinen Dax-Konzern in den längst nicht mehr neuen Ländern. Veränderung in Sicht? I wo.

Die Ungleichheit nährt das Lebensgefühl vieler Ostdeutscher, im Staatstheater Bundesrepublik auf den billigen Plätzen zu bleiben. Die in der Loge und auf der Bühne sind andere, Wessis. Dieser Zuschauerblick aber ist gefährlich. Denn im Osten wächst die Aggression gegen den ganzen demokratischen Betrieb.

Richtig ist, dass viel zu wenige Ostdeutsche in Verwaltung, Politik oder Medien aufgestiegen sind. Falsch ist jedoch, dass das nicht zu ändern wäre. 28 Jahre nach der Einheit könnte eine ganze Generation junger Ostdeutscher in Zeitungen, Firmen oder Parteien das Wort führen. Sie tun es eher selten. Das liegt nicht nur an westdeutschen Seilschaften. Im Osten fehlt oft auch Selbstvertrauen, den Staat konstruktiv mitzugestalten. Mut zur Einmischung ist da gefragt statt Verachtung fürs System. Zu lernen aber hat auch der Westen: vor allem den Dialog auf Augenhöhe.

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