Deutsche Bank:Mehr Frauen, mehr Briten

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Der Vorstandschef der Deutschen Bank reagiert auf die Skandale der Vergangenheit und krempelt die Führungsspitze um. Manager von außerhalb könnten den Neuanfang schaffen.

Von Meike Schreiber

Über den neuen Co-Chef der Deutschen Bank ist bislang nur wenig bekannt: Er liebt die Oper, kann Faust rezitieren und schreibt lieber markige Briefe an die Belegschaft als sich öffentlich zu zeigen. Intern aber wirkt der Brite umso radikaler. Kaum hundert Tagen im Amt, hat John Cryan das Geldinstitut stärker verändert als seine Vorgänger Anshu Jain und dessen Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen in drei Jahren Amtszeit zusammengenommen. Auf eine Milliardenabschreibung vor gut zehn Tagen, mit der er Altlasten sichtbar machte, folgte am Sonntag die radikale personelle Neuordnung. Cryans Vorgänger Jain, der wie kein anderer für die skandalträchtige Vergangenheit von Deutschlands größtem Geldinstitut stand, war schon im Sommer zurückgetreten. Nun verlieren fünf weitere Mitglieder des Vorstands und erweiterten Vorstands ihre Aufgaben. Sie alle waren mehr oder weniger in die Skandale der vergangenen Jahre verwickelt und für ihre Rolle in der Affäre um manipulierte Zinsen kürzlich auch von der Finanzaufsicht Bafin kritisiert worden.

Tief verstrickt war die Deutsche Bank in diese zweifelhafte Geschäfte, immer wieder gab es Affären, Prozesse, Untersuchungen, in denen es mal um die Manipulation von Wechselkursen, mal um die von Zinsen ging; in der jüngsten Vergangenheit kam sogar noch Geldwäsche in Russland dazu. Vor allem die US-Aufsichtsbehörden hatten die Bank im Visier, es folgte Strafe auf Strafe, oft milliardenschwer. Bislang hat die Bank für Rechtsstreitigkeiten fast zehn Milliarden Euro zahlen müssen.

Zwar konnte Jain und seinen Leuten nie eine persönliche Schuld nachgewiesen werden. Die Aufsicht aber warf ihnen vor, ein System geschaffen zu haben, das Fehlverhalten begünstigte. "Man kann Hunderte von Regularien erlassen, sie helfen nicht, wenn eine Kultur herrscht, in der alles beiseitegeschoben wird", sagte unlängst Frauke Menke, zuständige Kontrolleurin der Finanzaufsicht Bafin.

Jain und Fitschen aber dachten lange, sie könnten so weitermachen wie bisher. Fast täglich konnten Mitarbeiter und Aktionäre zusehen, wie sich der Ruf der Bank verschlechterte; als die beiden im Frühjahr noch einmal eine neue Strategie ausriefen und den Vorstand umbauten, da fiel der Aktienkurs wie ein Stein, statt wie erhofft zu steigen. Jain trat kurz darauf zurück.

Nun aber liegt Aufbruch in der Luft. Cryan kappt offenbar alte Seilschaften. "Anshus Army" werden die dem Ex- Chef ergebenen Investmentbanker genannt, die lange den Kurs der Bank bestimmten und sie sogar über die Boni und zulasten der Aktionäre ausnahmen. "Eine derart grundlegende Reorganisation hat es selten zuvor in der Geschichte der Deutschen Bank gegeben", ließ sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner am Sonntag zitieren. Das gehe nicht ohne Härten einher.

Tatsächlich folgen auf die neuen Manager auch Eingriffe in die Geschäftsfelder. Zumindest vordergründig deutet alles auf eine Entmachtung der Investmentbanker hin. Denn nicht nur die Vermögensverwaltung, auch das Investmentbanking wird wie zur Zeit von Ex-Chef Josef Ackermann aufgeteilt - in das Handelsgeschäft auf der einen Seite und die Beratung großer Unternehmen bei Fusionen oder Börsengängen auf der anderen Seite. Damit wird die Verantwortung für Chancen und Risiken der Geschäfte klarer zugeteilt. Zudem will die Bank dadurch wieder kundennah werden, eine Tugend, die das Institut in den Hochzeiten des Investmentbankings aus den Augen verloren hatte.

Die Führungskräfte aus dem Jahr 2012 sind fast alle weg

Abgeschafft wird auch der erweiterte Vorstand, ein 19-köpfiges Gremium, das nach angelsächsischem Vorbild Entscheidungen traf, die aber weder von den Aktionären noch der Finanzaufsicht direkt kontrolliert werden konnten.

Doch stehen die neuen Vorstände wirklich für einen Bruch mit der Vergangenheit? Fakt ist, dass von den Spitzenmanagern, die 2012 das Ackermann-Erbe antraten, heute nur noch einer im Amt ist, Stewart Lewis. Fakt ist auch, dass an den Schlüsselstellen jetzt viele Manager sitzen, die von außen kommen. Außerdem wird der Vorstand weiblicher - und britischer. Bekannt sind die Namen höchstens Insidern: Der Brite Quintin Price wird die Vermögensverwaltung leiten, er kommt von der weltgrößten Fondsgesellschaft Blackrock. Sein Landsmann Jeff Urwin verantwortet die Unternehmenskunden- und Investmentbank, er kam erst im Frühjahr vom US-Konkurrenten JP Morgan. Die neue Vorstandsfrau Sylvie Matherat (Regulierung und gute Unternehmensführung) ist Französin und erst seit einem Jahr bei der Bank. Durch Skandale ist keiner der neuen Spitzenleute aufgefallen.

Man sah sich bisher immer als Beraterbank, nicht als billiges Online-Institut: Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt. (Foto: Martin Leissl/Bloomberg)

Bei den Aktionären kam der Umbau gut an, die Aktie stieg. "Cryan meint es Ernst. Die Bank gewinnt langsam Vertrauen zurück", sagte Ingo Speich, Fondsmanager von Union Investment. Auch Dieter Hein, Analyst von Fairesearch und ein notorischer Kritiker des Instituts, begrüßte die "überfällige" Neuordnung.

Die Feldherren von Anshus Army mögen weg sein, das Fußvolk aber ist noch im Konzern. Manche wird Cryan guten Gewissens rausdrängen wollen. Andere aber braucht er, weil sie gut vernetzt sind und der Bank Geschäfte bringen. Da kommt viel Detailarbeit auf den Chef zu.

Das gilt auch für den 29. Oktober; dann will Cryan weitere Hintergründe zu seiner Strategie nennen. In welcher Form jedoch ist noch offen, womöglich wird er sogar auf die übliche Pressekonferenz verzichten. Kommt es so, bliebe der Radikalsanierer weiter der große Unbekannte unter den Lenkern deutscher Dax-Konzerne.

© SZ vom 20.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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