Bahn: Krisentreffen in Berlin:Bahnchef Grube beim Spießrutenlauf

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Rüdiger Grube braucht ein dickes Fell: Vor dem Treffen im Bundestag schimpfen alle - Politiker, Industrie, Fahrgastvertreter. Letztere halten 500 Euro Entschädigung für Hitzeopfer für zu wenig. Nun drohen dem Konzern nach einem Urteil auch noch Milliardenverluste.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hat die 500 Euro Schmerzensgeld für Bahnfahrer, die wegen ausgefallener Klimaanlagen der Bahn Gesundheitsschäden erlitten haben, als zu gering bezeichnet.

Bahn-Chef Rüdiger Grube wird heute den Mitgliedern des Verkehrsausschusses Rede und Antwort stehen - die Politiker wollen klären, was die Ursachen für die Bahn-Pannen sind. (Foto: dpa)

Wer deswegen im Krankenhaus behandelt werden musste, sollte sich mit 500 Euro nicht zufriedengeben, sagte Pro-Bahn-Vorstandsreferent Joachim Kemnitz der Berliner Zeitung. Die Summe decke nicht einmal die Transportkosten mit dem Krankenwagen.

Die Klimaanlagen-Probleme der Bahn sind an diesem Donnerstag Thema eines Treffens zwischen Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Die beiden kommen in Berlin mit Mitgliedern des Bundestags-Verkehrsausschusses zu einem Gespräch zusammen.

Die Bahn hatte tags zuvor angekündigt, allen ICE- Fahrgästen, die wegen Hitze im Zug ärztlich behandelt werden mussten, 500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Mehr als 2200 hitzegeplagte Bahnfahrer erhielten bislang eine Entschädigung in Form von Reisegutscheinen.

Ramsauer hat im Vorfeld des Krisentreffens erneut den Sparkurs vor dem schließlich abgesagten Börsengang der Bahn als eine Ursache für die technischen Probleme bei Zügen verantwortlich gemacht. Um ein bestimmtes betriebswirtschaftliches Ergebnis zu erzielen, seien zahlreiche Kürzungen vorgenommen worden, sagte Ramsauer am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Für den Ausfall von Klimaanlagen in ICE-Zügen vor einigen Tagen machte er das Zusammenspiel von extrem hohen Temperaturen und älteren, anfälligen Kühlsystemen verantwortlich. Sein Ministerium und die Bahn hätten sofort Maßnahmen eingeleitet, um die Lage zu verbessern. Nun müssten langfristige Lösungen gefunden werden.

"Probleme zu spät erkannt"

Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, kritisierte das Krisenmanagement von Bahnchef Grube. "Die Probleme wurden viel zu spät erkannt und nur zugegeben, was nicht mehr abzustreiten war", sagte Weselsky der Passauer Neuen Presse. Gleichzeitig nahm er die Bahnbeschäftigten in den Zügen in Schutz: "Vom letzten Glied in der Kette wird ein perfektes Krisenmanagement verlangt, während sich die Chefetage vornehm zurückhält."

Kritik kam auch vom Verband der Bahnindustrie, in dem sich die Anbieter von Bahntechnik zusammengeschlossen haben. Andeutungen von Grube, die Hersteller der ICE-Flotte hätten schlechte Qualität geliefert, seien geeignet, den guten Ruf einer ganzen Branche zu gefährden, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ronald Pörner, der Berliner Zeitung. Die Hersteller lieferten "keinen Schund". Bei den jetzt beanstandeten Klimaanlagen habe die Bahn selbst erklärt, dass kein Konstruktionsfehler vorliege. Pörner verwies darauf, dass die Unternehmen für die Züge und Komponenten nur Wartungsempfehlungen geben. Die Wartung und Instandhaltung werde aber ausschließlich von der Deutschen Bahn durchgeführt.

Der Grünen-Politiker Winfried Hermann hat das Unternehmen aufgefordert, seine Mitarbeiter besser für Notlagen wie beim Ausfall der Klimaanlagen in Zügen zu trainieren. "Die Bahn muss sich mehr Mühe geben beim Trainieren von Sonderfällen, von extremen Chaos-Situationen - dass die Zugbegleiter in Übungssituationen lernen, mit Notsituationen umzugehen", sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestags im ARD-Morgenmagazin.

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Im Rahmen der Krisensitzung sollen die Ursachen für die Bahn-Pannen dargelegt werden, sagte Hermann. "Es muss geklärt werden: Wie konnte es dazu kommen, was hat die Bahn schon eingeleitet, um die Probleme zu lösen? Wir werden auch über die politische Verantwortung sprechen. Was waren die Rahmenbedingungen, beispielsweise die Vorbereitung des Börsengangs, was die Bahn dazu gebracht hat, viele Kosten zu sparen?"

Nach massiven Protesten sollen "Hitzeopfer" der Bahn mit bis zu 500 Euro in bar entschädigt werden. Fahrgastvertreter finden das aber viel zu wenig. (Foto: dpa)

Die Bahn hat derzeit wegen hochsommerlicher Temperaturen Probleme mit Klimaanlagen in Teilen ihrer ICE-Flotte. Die Klimaanlagen in ICE-2-Zügen sind nur für Temperaturen bis 32 Grad Celsius ausgelegt. Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge beweisen interne Wartungsprotokolle der Bahn, dass die Klimaanlagen im ICE 2 "schon vor Jahren reihenweise ausgefallen" sind.

Nicht das einzige Problem

Die kaputten Klimaanlagen sind aber nicht das einzige Problem des Konzerns: Der Bundesgerichtshof (BGH) soll nun über die jahrelangen Streitereien um die milliardenschweren Vergaben von Nahverkehrsaufträgen ohne Ausschreibung urteilen - nachdem das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Milliardenvertrag für nichtig erklärt hat.

Die Vergabekammer des Düsseldorfer Gerichts hatte den Verkehrsvertrag zwischen der Deutschen Bahn und dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zum Betrieb von S-Bahnen unwirksam genannt. Die Begründung: Die Bahnleistungen hätten nicht ohne Ausschreibung an die Bahn-Tochter DB Regio vergeben werden dürfen. Das Düsseldorfer Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Denn die Bundesländer vergeben die Aufträge für den Schienennahverkehr an Verkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn oder deren Konkurrenten - in der Vergangenheit war dies immer wieder ohne Ausschreibung geschehen.

Der Markt gilt als äußerst lukrativ: Jedes Jahr geben die Länder annähernd sieben Milliarden Euro für den Nah- und Pendlerverkehr aus. Die Sparte DB Regio ist daher seit Jahren die profitabelste im DB Konzern - bei dieser Geldquelle drohen nun herbe Einbußen.

Die Düsseldorfer Richter verwiesen den Fall aus Nordrhein-Westfalen aber erst einmal an den BGH, um auf Nummer sicher zu gehen. Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte vor einigen Jahren in einem ähnlich gelagerten Fall anders entschieden. Nun soll die höhere Instanz urteilen.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/rtr/ap/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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