Süddeutsche Zeitung

Deutsche Außenpolitik:Zusammen ist man weniger allein

Die Bundesregierung hat ein "Weißbuch Multilateralismus" herausgegeben - und will darin erklären, warum Deutschland besser fährt, wenn es mit anderen Nationen zusammenarbeitet. Kritiker monieren: Es fehlen die Visionen

Von Daniel Brössler, Berlin

Für ein außenpolitisches Regierungsdokument ist der Titel eher ungewöhnlich. "Für die Menschen" ist ein knapp 150 Seiten langes Weißbuch überschrieben, welches das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Die "Menschen", so könnte man das verstehen, sollen nachlesen können, wie und warum die Bundesregierung sich im Geflecht internationaler Beziehungen tummelt. Es ist das erste Weißbuch einer Bundesregierung zum "Multilateralismus", den besonders Außenminister Heiko Maas (SPD) versucht hat zum großen Thema seiner Amtszeit zu machen. "Man hatte zuweilen das Gefühl, man müsste eher ein Schwarzbuch schreiben, weil die Lage eben so düster gewesen ist", formulierte es Maas. Um das "Überwintern" in den Jahren der Präsidentschaft von Donald Trump sei es vielfach gegangen.

"Die auf multilateralen Prinzipien gegründete internationale Ordnung steht unter massivem Druck", beschreibt der Bericht die Lage, in der sich die bald scheidende Bundesregierung außenpolitisch bewähren musste. Gemeint ist da die nicht zuletzt das aggressive Verhalten Russlands. Manche Staaten verstießen "offen gegen internationales Recht und freiwillig geschlossene Übereinkommen und machen selbst vor gewaltsamen Annexionen oder dem Bruch von Abkommen zur Rüstungskontrolle nicht Halt", heißt es im Bericht.

Mit einer zusammen mit dem französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian gegründeten "Allianz für den Multilateralismus" versuchte Maas einen Gegenakzent zu setzen. Im Bericht wird diese bezeichnet als "überregionales, flexibles Netzwerk, in dem Staaten und Institutionen aus Afrika, Amerika, Asien, Europa und Ozeanien in unterschiedlichen Zusammensetzungen zu verschiedenen Themen zusammenarbeiten und konkrete Initiativen entwickeln, die zur Lösung weltweiter Probleme beitragen". Das klingt vor allem deshalb eher allgemein, weil die mittlerweile 70 Mitglieder zählende Allianz zwar ein "Club der Demokratien" sein soll, wie Maas es formuliert, aber doch auch möglichst viele Staaten ins Boot holen sollte.

Die Machtverhältnisse auf der Welt werden sich in Richtung Asien verschieben

So zeichnet das Weißbuch auch kein allzu idealisiertes Bild selbstloser deutscher Absichten. "Deutschlands Wohlstand und Sicherheit, seine außenpolitische Handlungsfähigkeit und Gestaltungskraft hängen seit Gründung der Bundesrepublik von der Einbindung in Bündnisse, multilaterale Organisationen und internationale Vereinbarungen ab", heißt es etwa. Diese "auf Stabilität und Berechenbarkeit ausgerichtete internationale Ordnung" umfasse auch den Handels- und Wirtschaftsbereich und gehöre "damit zu den wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg Deutschlands als Exportnation".

Verwiesen wird auf die Verschiebung der globalen Machtverhältnisse. Deutschland werde "im kommenden Jahrzehnt voraussichtlich das einzige Land der EU sein, das noch zu den zehn größten Volkswirtschaften der Welt gehört." Mit China, Indien, Japan und Indonesien könnten wiederum dann vier der fünf größten Volkswirtschaften in Asien sein. Nur mit der "vereinten Kraft der EU" könne Deutschland "seine Werte, Interessen und Prioritäten nach außen effektiv vertreten und in einer sich wandelnden und herausgeforderten internationalen Ordnung durchsetzen". Das Ziel müsse sein, "die internationale Ordnung gegen Versuche ihrer Demontage ebenso zu wappnen wie gegen globale und regionale Schocks, wie Pandemien oder Wirtschaftskrisen".

Das Weißbuch enttäusche bei der ersten Durchsicht, kritisierte der Vorsitzende des UN-Unterausschusses im Bundestag, Ulrich Lechte (FDP). "Keine Visionen, keine hehren Ziele, mehr eine Zusammenfassung der Arbeit der letzten Jahre" enthalte das Papier. "Der Erhalt der liberalen Weltordnung bedarf jedoch aller Kräfte, die Deutschland und seine Partner mobilisieren können", forderte er. So müsse die Finanzierung der Vereinten Nationen auf die Tagesordnung.

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