Süddeutsche Zeitung

Deutsche Außenpolitik:Die SPD wird für Maas zunehmend zum Problem

  • Die Bundesregierung ist in ihrer außenpolitischen Handlungsfähigkeit zunehmend eingeschränkt.
  • Grund dafür ist verstärkt die SPD, die bei mehreren Vorhaben auf die Bremse tritt - und sich damit gegen ihren eigenen Außenminister Maas stellt.
  • So sind die Sozialdemokraten unter anderem gegen eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kampf gegen den IS.

Von Daniel Brössler, Berlin

Der Außenminister wählte seine Worte mit Bedacht. Umständlich tastete sich Heiko Maas an eine Antwort auf die Frage heran, ob die Bundeswehr auch künftig noch dabei sein wird bei der von den USA geführten Militärkoalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). "Es finden nahezu täglich Anschläge statt. Und es muss alles unternommen werden, um zu verhindern, dass der IS auf der Zeitachse Stück für Stück an Macht gewinnt", sagte er. Im Juni war das, Heiko Maas befand sich auf Dienstreise in Bagdad, und er wusste, dass er nun all sein diplomatisches Fingerspitzengefühl würde aufbieten müssen. Und das nicht etwa empfindlicher Gastgeber wegen.

Maas' mittlerweile größtes Problem lauert in Berlin: Wie soll er die hohen Erwartungen der Verbündeten an Deutschland noch in Einklang bringen mit der Abwehrhaltung einer zunehmend rebellischen SPD-Fraktion? Die von den USA dringend gewünschte Verlängerung des Anti-IS-Mandats ist ein Beispiel, der Streit ums Zwei-Prozent-Ziel der Nato ein weiteres. In der Außen- und Verteidigungspolitik stößt die schwarz-rote Koalition mittlerweile an Grenzen, die der kommissarische SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in dieser Woche im Bundestag in fast schon brutaler Klarheit gezogen hat. In seiner Rede bei der Sondersitzung am Mittwoch knöpfte er sich die CDU-Chefin und frisch vereidigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer vor. Die Botschaft aber galt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Heiko Maas.

"Immer wieder", beklagte Mützenich, "hören wir, dass das Mandat des IS-Einsatzes verlängert werden soll." Dabei gebe es eine Kabinettsvorlage der "gesamten Bundesregierung", wonach der Einsatz am 31. Oktober enden werde. Er finde, "fünf Jahre Einsatz der Bundeswehr zur Bekämpfung des IS war ein angemessener Beitrag". In Bagdad hatte Maas noch angekündigt, man müsse "nach der Sommerpause ein Fazit ziehen, wie sich der IS weiterentwickelt hat". Es sei, erklärte ein paar Wochen später Regierungssprecher Steffen Seibert, "ins Auge gefasst, die bisherigen Maßnahmen, die wir zur Anti-IS-Koalition beitragen, möglichst fortzuführen".

Für die Bundesregierung steht nun letztlich ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit auf dem Spiel, denn die im jordanischen Al-Asraq stationierten Bundeswehrsoldaten leisten mit Luftaufklärung und Luftbetankung nicht nur einen Beitrag zum Kampf gegen den IS, sondern auch zum Umgang mit US-Präsident Donald Trump. Als dieser Ende 2018 plötzlich den Abzug aller US-Truppen aus Syrien verkündete, waren die Verbündeten schockiert. Alle wussten, dass der IS zwar in der Fläche geschlagen, aber nicht wirklich besiegt war. Auch Maas beklagte den "abrupten Kurswechsel". Trump blies den Komplettabzug ab, verlangte aber mehr Einsatz der Verbündeten. Seitdem sieht auch Maas Deutschland in der Pflicht. Mit Merkel ist er sich da einig, nicht aber mit der eigenen Fraktion.

Der Brexit und eine gemeinsame Schutzmission mit den Briten

Ernst könnte es für die Koalition schon bald auch wegen der Krise im Persischen Golf werden. Seit der Festsetzung des britischen Öltankers Stena Impero plant Großbritannien eine europäische Mission zum Schutz der Schifffahrt vor der Küste Irans. Grundsätzlich keine schlechte Idee, findet man in der Bundesregierung, schon um mit den Briten in Brexit-Zeiten einmal gemeinsame Sache machen zu können. Vor allem in der SPD-Fraktion aber stößt auch das auf Bedenken.

Die Skepsis der Sozialdemokraten gegenüber Militäreinsätzen ist nicht neu, doch für Maas ist die Lage seit dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles und vor der Wahl neuer Vorsitzender noch einmal deutlich schwieriger geworden. Zum einen entlädt sich der Koalitionsfrust der Genossen nicht zuletzt in der Außen- und Verteidigungspolitik. Zum anderen rückte in Mützenich ein leidenschaftlicher Kritiker einer aus seiner Sicht zu stark militarisierten Außenpolitik kommissarisch an die Spitze der Fraktion. Im Kabinett lebt die Koalition noch, im Bundestag klingt die SPD mitunter schon nach Opposition.

Dazu passte, wie scharf Mützenich Kramp-Karrenbauer anging, weil sie sich zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato bekannt hatte. Das Ziel beruht auf der Zusage aller Mitglieder, sich bis 2024 auf Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent der Wirtschaftskraft zuzubewegen. Ihn erinnere das "an den Tanz um das Goldene Kalb", sagte Mützenich. Im Übrigen gelte: "Der Bundestag hat das Budgetrecht. Kein Bündnis und keine internationale Organisation kann sich das anmaßen."

Die Bundesregierung hat der Nato zugesagt, bis 2024 zwar nicht zwei, aber immerhin 1,5 Prozent zu erreichen. Gerade, weil die bisherigen Zahlen nicht einmal das hergeben, sind Merkel und Maas um Beschwichtigung bemüht. "Auf unsere Zusagen ist Verlass", hatte Maas im April anlässlich der 70-Jahr-Feier der Nato versichert. Genau daran wachsen die Zweifel.

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SZ vom 27.07.2019/jael
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