Türkei:Wie Deutschland mit PKK-Anhängern umgeht

Türkei: Bei einer Kundgebung gegen die türkische Regierung in Köln tragen Demonstranten Fahnen mit dem Bild des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan.

Bei einer Kundgebung gegen die türkische Regierung in Köln tragen Demonstranten Fahnen mit dem Bild des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Entgegen türkischen Vorwürfen gehen die Sicherheitsbehörden durchaus hart gegen die kurdische Partei vor. Um Terrorismus geht es dabei aber kaum.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mevlüt Çavuşoğlu, Außenminister der Türkei, war gut vorbereitet. 4500 Strafverfahren gebe es in Deutschland gegen Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, hielt er seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier an diesem Dienstag bei dessen Besuch in Ankara vor. Aber nur drei der Täter seien bisher an die Türkei ausgeliefert worden. Klar, was das suggerieren sollte: Die Kooperation der deutschen Sicherheitsbehörden mit der Türkei sei in Sachen PKK mehr als dürftig.

Die Zahlen, die Çavuşoğlu so wirkungsvoll aus dem Hut zauberte, stammen allem Anschein nach aus einem Bericht des Bundesinnenministers vom 16. Oktober 2014 zum Thema PKK. Wie aus mehreren Kleinen Anfragen der Linken hervorgeht, verbirgt sich dahinter nicht etwa ein gewaltiges Heer von Terroristen. 4400 dieser Fälle betreffen "Ermittlungsverfahren mit PKK-Bezug" aus den Jahren 2004 bis 2014 - Ermittlungen, wohlgemerkt, keine Verurteilungen. Und zwar nicht wegen Terrorismus, sondern wegen Spendengelderpressung, Körperverletzung, Landfriedensbruch.

Vor allem aber geht es um Verstöße gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot; sie machen weit mehr als die Hälfte der 4400 Fälle aus. Bleiben hundert "große Fische": Laut Bundesregierung sind zwischen 1996 und 2014 mehr als hundert PKK-Führungskader verurteilt worden - als Mitglieder oder Unterstützer der zeitweise als kriminelle, zeitweise als terroristische Vereinigung eingestuften PKK. Es geht also nicht um 4500 Terroristen, sondern um rund hundert, in einem Zeitraum von etwa zwei Jahrzehnten.

Nur wenig Rechte für Beschuldigte in der Türkei

Wie viele davon tatsächlich an die Türkei ausgeliefert worden sind, lässt sich der Statistik nicht entnehmen. Aber wer von der deutschen Justiz verurteilt wird, sitzt seine Strafe normalerweise in Deutschland ab. Die Zahl von nur drei Ausgelieferten, die der Minister genannt hat, dürfte aber nicht so fern von der Wirklichkeit sein. In Berlin sind zwei Auslieferungsfälle bekannt: Einer soll Anfang der 90er Jahre einen Polizisten ermordet haben, der andere an einem Überfall mit acht Toten im Südosten der Türkei beteiligt gewesen sein. Sie wurden 2007 ausgeliefert; ein früherer Vorstoß der türkischen Behörden scheiterte, weil dort damals noch die Todesstrafe galt.

Ohnehin müsste eine Überstellung nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen wohl an eine in der Türkei begangene Straftat und einen türkischen Haftbefehl anknüpfen. Aber auch dann gibt es rechtliche Hürden. 2010 intervenierte das Bundesverfassungsgericht, weil einem PKK-Kader in der Türkei ein rigides "Lebenslang" ohne jede Entlassungschance drohte. Und derzeit dürfe überhaupt nicht mehr ausgeliefert werden, befand vor wenigen Wochen das Oberlandesgericht Schleswig. Weil die Türkei die Beschuldigtenrechte "weitgehend außer Kraft gesetzt" habe.

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