Deutsch-türkische Regierungskonsultationen:Prominente fordern Kanzlerin zu Kritik an Türkei auf

  • Kulturschaffende und Wissenschaftler rufen Kanzlerin Merkel in einem offenen Brief auf, die Türkei stärker zu kritisieren.
  • Sie fürchten, die Bundesregierung könne Rechtsstaatsdefizite wegen Ankaras Rolle in der Terrorbekämpfung und der Flüchtlingskrise unter den Tisch fallen lassen.
  • Am Freitag finden die ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen in Berlin statt.

Von Christoph Meyer

Zu den Unterzeichnern gehören Navid Kermani, Fatih Akin und Katja Riemann

Mehr als hundert teils prominente Vertreter aus Kultur, Journalismus und Wissenschaft haben Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, die Türkei bei den anstehenden Regierungskonsultationen zu kritisieren. Partnerschaft könne nicht bedeuten, "bei Menschenrechtsverletzungen wegzusehen", schreiben sie in einem offenen Brief an die Kanzlerin.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderen die die Schriftsteller Navid Kermani und Tanja Dückers, die Regisseure Fatih Akin und Margarethe von Trotta sowie die Schauspieler Benno Fürmann und Katja Riemann.

Sie fürchten, die Kanzlerin könne Fragen zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unter den Tische fallen lassen, um Ankara in Zeiten von Terrorgefahr und Flüchtlingskrise nicht zu verärgern. Das Land ist Dreh- und Angelpunkt der europäischen Bemühungen, den Zuzug von Flüchtlingen zu reduzieren. Auch im Kampf gegen den IS spielt die Türkei eine Schlüsselrolle.

Merkel soll nach dem Willen der Unterzeichner willkürliche Verhaftungen ansprechen: So seien 27 Akademiker festgenommen worden, weil sie einen Aufruf zum Frieden unterzeichnet hätten. Auch die Verhaftung des Chefredakteurs der linksliberalen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, im vergangenen November soll thematisiert werden.

"Sprechen Sie...über all die Opfer der Aggression im Südosten der Türkei", schreiben die Unterzeichner. Gemeint sind Auseinandersetzungen zwischen der PKK und der türkischen Armee, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen.

Amnesty International fordert Stopp der Zusammenarbeit mit Ankara

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nimmt die anstehenden Konsulationen zum Anlass für Kritik an der Bundesregierung. Von "wilkürlichen Tötungen von Zivilisten" und "kollektiver Bestrafung" im Kurden-Konflikt und völkerrechtswidrigen Abschiebungen nach Syrien ist die Rede, zu denen Deutschland seit Monaten schweige.

"Solange die Türkei Flüchtende zur Rückkehr nach Syrien und in den Irak zwingt, müssen Bundesregierung und EU ihre Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage auf Eis legen", sagte Marie Lucas, Türkei-Expertin von Amnesty International in Deutschland der Nachrichtenagentur dpa.

Die deutsch-türkischen Regierungskonsultationen finden am Freitag zum ersten Mal in Berlin statt. Dort erwartet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die türkische Delegation unter der Leitung von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu. Neben dem Anschlag von Istanbul und dem Kampf gegen den Terrorismus soll es bei dem Treffen auch um Flüchtlingsfragen gehen.

Mit Material der Agenturen epd und KNA

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