Deutsch-türkische Beziehungen:"Wenn ich eingeladen werde, bin ich da"

Aftermath of an attempted coup d'etat in Turkey

Der türkische Premier hofft auf ein klärendes Gespräch mit der deutschen Kanzlerin.

(Foto: dpa)

Es gebe "keine schwerwiegenden Probleme", sagt der türkische Premier Yıldırım zum Konflikt mit Berlin - er hofft auf ein klärendes Gespräch mit Merkel. Seine Botschaft nach Brüssel ist nicht ganz so optimistisch.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Nach Wochen des Streits und gegenseitiger Drohungen ist der türkische Premierminister Binali Yıldırım um Entspannung im deutsch-türkischen Verhältnis bemüht. "Die Türkei hat keine schwerwiegenden Probleme mit Deutschland", sagte er am Samstag bei einem Treffen mit Journalisten. Die Vorfälle der jüngeren Zeit könnten die tiefe Beziehung, die beide Länder zueinander hätten, nicht beschädigen. Er bezeichnete das Verhältnis als "essenziell".

Nach dem Putschversuch in der Türkei am 15. Juli hat das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Die Türkei wirft Deutschland vor, nicht deutlich genug an der Seite der türkischen Regierung gestanden zu haben. Zudem tue Europa zu wenig gegen die kurdische Terrororganisation PKK, die seit bald einem Jahr wieder schwere Anschläge in der Türkei verübt.

Eng verbunden seit dem Ersten Weltkrieg

Auf der anderen Seite kritisiert Deutschland das Vorgehen der türkischen Behörden. Seit dem 15. Juli wurden Zehntausende Menschen in der Türkei wegen des Verdachts, Unterstützer des Putsches zu sein, von ihren Jobs suspendiert und verhaftet. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan wird vorgeworfen, die Gelegenheit dazu zu nutzen, seinen autoritären Führungsstil weiter auszubauen. Mittlerweile vergeht kaum eine Woche ohne gegenseitige Vorwürfe. "Es macht keinen Sinn, in einen Kampf einzusteigen", sagte Yıldırım nun. Auf die Frage, ob er einen Besuch von Kanzlerin Merkel in der Türkei erwarte, um die Probleme auszuräumen, sagte er: "Wenn sie nicht kommt, kann ich fahren. Wenn ich eingeladen werde, bin ich da."

Yıldırım lobte die traditionell enge Beziehung zu Deutschland und spannte den Bogen bis zurück zur Waffenbruderschaft im Ersten Weltkrieg. Heute seien die beiden Länder unter anderem durch die drei Millionen Türken in Deutschland und die engen wirtschaftlichen Beziehungen eng miteinander verbunden.

Kritischer fiel Yıldırıms Bilanz zur jüngsten Zusammenarbeit mit der Europäischen Union aus. In der Flüchtlingskrise hatten Ankara und Brüssel in einem Abkommen eine engere Kooperation vereinbart. Zwar ist es gelungen, durch den Pakt die Zahl der Flüchtlinge, die Europa erreichen, drastisch zu reduzieren. Die Türkei wartet aber ihrerseits noch darauf, dass Brüssel sich an seine Zusagen hält. So lässt zum Beispiel die bereits für den Sommer in Aussicht gestellte Abschaffung der Visumpflicht auf sich warten.

Brüssel erwartet von Ankara vorher eine Reform der Anti-Terror-Gesetze. Von den zugesagten drei Milliarden Euro an Finanzhilfe für die Flüchtlingsarbeit in der Türkei ist nur ein kleiner Teil tatsächlich ausbezahlt worden. "Wir erwarten, dass Versprechen eingehalten werden", sagte Yıldırım. Aus seiner Sicht habe sich das gegenseitige Abkommen "zur Einbahnstraße" entwickelt. Er verzichtete aber am Samstag darauf, mit einer Aufkündigung des Abkommens zu drohen oder ein Ultimatum zu setzen, wie das zuvor in Ankara wiederholt getan worden war.

Wie geht es weiter mit dem Besuchsverbot in Incirlik?

Unklar bleibt, ob die türkische Regierung in einem anderen Punkt auf Berlin zugehen wird. Seit Monaten verlangen Abgeordnete des Bundestages Zugang zum türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, auf dem deutsche Soldaten im Anti-Terror-Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat stationiert sind. Diverse Besuchswünsche von Parlamentariern hatte Ankara bislang als "nicht angemessen" abgelehnt, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen durfte den Stützpunkt aber besuchen. Sollte sich an dieser Haltung gegenüber den Abgeordneten nichts ändern, könnte sich Deutschland gezwungen sehen, seine Soldaten abzuziehen. Yıldırım sagte am Samstag, Ankara erlaube "prinzipiell" keine Besuche von Abgeordneten. Dies betreffe nicht nur die deutschen Abgeordneten.

Er sei der Meinung, so Yıldırım, dass dies bei einem Treffen zwischen Staatspräsident Erdoğan und Merkel vor einiger Zeit auch so besprochen worden sei. "Ich dachte, das wäre erledigt", sagte der Premier. Er wundere sich, dass dieser Streitpunkt immer noch auf der Agenda stehe. Wie es weitergeht? "Wir werden sehen."

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