Deutsch-Südwestafrika:Herero und Nama - Deutschlands erster Völkermord

Gefangene Herero in Deutsch-Südwestafrika, 1905

Gefangene Herero in Deutsch-Südwestafrika während des Aufstandes 1905.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Der Bundestag überzog die Türkei mit einer Armenier-Resolution. Aber wenn es um die grausamen Verbrechen im heutigen Namibia geht, eiert Berlin herum.

Kommentar von Joachim Käppner

Es war einer der ersten Völkermorde eines Jahrhunderts, das zu einem Jahrhundert der Genozide und des Zivilisationsbruchs werden sollte - bis hin zum Holocaust, dem ersten Versuch eines modernen Staates, ein Volk bis zum letzten Kind auszulöschen.

Das Denken, das dorthin führte, ein Weltbild aus rassistischen Feindbildern und Vernichtungsfantasien, zeichnete sich schon mehr als schemenhaft ab in jener Order des Befehlshabers Lothar von Trotha von 1904: "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen."

In Deutschland ist fast vergessen, dass die kaiserliche "Schutztruppe" in Namibia, der damaligen deutschen Kolonie Südwest-Afrika, Zehntausende Herero und Nama massakrierte. Beide Völker hatten einen geschickten Guerillakrieg gegen die weißen Herren geführt, an manchen Orten wie dem Alten Münchner Südfriedhof findet man noch Gedenktafeln für die gefallenen Deutschen.

Kaum irgendwo aber wird der beiden Völker gedacht, deren Widerstand erst durch kollektiven Terror gegen die Zivilbevölkerung gebrochen wurde. Nun endlich sieht es aus, als wolle Deutschland diesen Völkermord von einst als solchen anerkennen.

Das ist schon eine kuriose Volte: Die Bundesregierung streitet mit Ankara, weil sie den Völkermord an den Armeniern durch Türken 1915 als das bezeichnet, was er war. Die Bundesrepublik selber eierte aber stets herum, wenn es um deutsche Verbrechen in den Kolonien ging, vor allem jene in Deutsch-Südwest. (Die Armenier-Resolution hätte an Gewicht übrigens auch gewonnen, wenn das Parlament oder die Regierung zur gleichen Zeit den 75. Jahrestag der "Unternehmen Barbarossa", des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion, nicht auf peinliche Weise mehr oder weniger ignoriert hätten.)

Angesichts der Millionen Opfer des Zweiten Weltkrieges und der deutschen Schuld daran ist die Erinnerung an die Kolonialverbrechen überlagert worden; außerdem ging das deutsche Übersee-Imperium schon mit dem Ersten Weltkrieg verloren.

Angemessen wäre eine Stiftung für den Aufbau Namibias

Das macht den Völkermord in Namibia aber nicht ungeschehen; ebenso wenig der Verweis, dass andere Kolonialmächte, etwa Frankreich, in ihren Besitzungen noch viel mehr Menschen umgebracht haben - allein der vergebliche Versuch, Algerien mit Gewalt zu halten, kostete bis 1961 wohl eine Million Tote. Aber das ist nicht die deutsche Geschichte. Zu der jedoch gehören Ignoranz und Ablehnung gegenüber allen Forderungen und Bitten der Herero und Nama, ihr Leid anzuerkennen.

Probleme gibt es sicher auch auf namibischer Seite, auch dies ist ein böser Spiegel der Kolonialgeschichte. Die Regierungspartei Swapo wird vom Mehrheitsvolk der Ovambo getragen; Nama und Herero sind nur noch Minderheiten und sahen sich bei den Verhandlungen mit Berlin unzureichend vertreten. Das soll nun korrigiert werden. Was aber wäre die praktische Konsequenz, wenn die deutsche Seite den Völkermord von einst eingesteht?

Entschädigungen und Wiedergutmachungszahlungen sind nach einem Jahrhundert juristisch kaum durchzusetzen. Eine bessere und praktikablere Idee wäre eine durch die Bundesrepublik großzügig ausgestattete Stiftung. So ließe sich auch würdigen, dass der Vielvölkerstaat Namibia als einer von ganz wenigen in Afrika seit der späten Unabhängigkeit von Südafrika 1990 einen ausgesprochen positiven Weg nahm, bei dem Toleranz und Rechtsstaatlichkeit große Fortschritte gemacht haben.

Diese Freiheit bewahren zu helfen, wäre eine späte, aber angemessene Reaktion auf das, was Deutsche diesem Land einst angetan und genommen haben.

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