Nur gemeinsam und mit der EU im Rücken bringen diese Staaten ausreichend machtpolitisches Gewicht auf die Waage, um für China in allen Fragen der internationalen Politik ein ernstzunehmender Gesprächspartner zu sein. Dann wäre es auch für China viel schwerer, einzelne europäische Länder politisch gegeneinander auszuspielen. Jüngst hat Peking die Beziehungen zu Großbritannien eingeschränkt, weil Premierminister Cameron den Dalai Lama empfangen hat. Von Solidaritätsbekundungen aus Berlin und Paris war bislang allerdings wenig zu hören, obwohl beide diese Erfahrung schon einmal selbst gemacht haben.
Als erste konkrete Maßnahme zur stärkeren europäischen Einbettung der eigenen Chinapolitik sollte Deutschland sich dafür einsetzen, dass der politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Austausch um einen strategischen Dialog und einen Ausbau der Beziehungen auf militärischer Ebene erweitert wird.
Zwar wird Europa in Asien auf absehbare Zeit keine sicherheitspolitische Rolle im engeren Sinne spielen können und auch nicht wollen. Britische Eurofighter werden in Asien keinen Luftraum sichern, deutsche Fregatten nicht Patrouille fahren und französische Soldaten keine Kampfeinsätze durchführen. Dennoch berührt die Frage, wohin sich China in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik orientiert, deutsche und europäische Interessen auf vielfältige Art und Weise.
Berlin muss mehr europäische Verantwortung übernehmen
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel und im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer bergen ein beträchtliches Risiko militärischer Eskalation mit gravierenden Folgen für die Weltwirtschaft und damit auch für Europa. Auch andere internationale Konflikte wie zum Beispiel die Kriege in Syrien und Afghanistan oder die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm lassen sich ohne Zusammenarbeit mit dem ständigen UN-Sicherheitsratsmitglied China kaum lösen. Auch hier gilt: Berlin, Paris, London und Warschau müssen unter Einbeziehung des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik den Dialog mit China gemeinsam führen, um sich in Peking auch in sicherheitspolitischen Fragen Gehör zu verschaffen.
Auch wenn sich Deutschland in der Sicherheitspolitik traditionell eher zurückhält, hat es in der Chinapolitik ausreichend Glaubwürdigkeit, die europäischen Verbündeten von der Notwendigkeit eines gemeinsamen strategischen Dialogs mit China zu überzeugen. Berlin muss deutlich machen, dass es die guten Beziehungen zu Peking nicht nur zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil nutzt; dass es vielmehr bereit ist, mehr europäische Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur bei der Bewältigung der Euro-Krise, sondern auch bei der Gestaltung der Beziehungen zwischen Europa und der neuen Weltmacht China.
Thomas Paulsen (45) leitet den Bereich Internationale Politik bei der Körber-Stiftung in Berlin. Er war unter anderem als Senior Manager für PricewaterhouseCoopers und als Analyst für die HypoVereinsbank tätig.