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Designierter Premier Renzi in Italien:Innenminister Alfano will mitreden

"Wenn wir Nein sagen, entsteht die neue Regierung nicht": Italiens selbstbewusster Innenminister Alfano weiß, dass der designierte Premier Renzi auf ihn angewiesen ist. Alfanos Gefühl der Stärke ist auch ein deutliches Signal an Ex-Premier Berlusconi.

Von Andrea Bachstein, Rom

Matteo Renzi erhält an diesem Montag voraussichtlich vom italienischen Staatspräsidenten den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Der Sozialdemokrat Renzi will dann innerhalb einer Woche sein Kabinett präsentieren und das Vertrauen im Parlament erhalten. Italien hätte dann zum vierten Mal in vier Jahren einen neuen Premierminister. Am Sonntag war klar, ganz so rasant wie Renzi und Staatschef Giorgio Napolitano zunächst dachten, wird es nicht gehen mit einer neuen Regierung. Napolitano hat seit Freitag mit den Parteien Sondierungsgespräche geführt, nachdem am Vorabend der Vorsitzende der Demokratischen Partei (PD), Renzi, und der Parteivorstand den bisherigen Regierungschef Enrico Letta coupartig zum Rücktritt gedrängt hatten.

Napolitano sagte, wer den Regierungsauftrag erhält, "wird alle nötige Zeit bekommen für Beratungen, vertiefte Verhandlungen und Vereinbarungen". Es geht darum, dass eine stabile Koalition hinter einem Premier Renzi stehen wird. Und es zeigt sich nun, dass neben dem 39 Jahre alten bisherigen Bürgermeister von Florenz ein weiterer Politiker der jüngeren Generation den Moment nutzen will, seine Position zu stärken: Innenminister Angelino Alfano.

Machtbewusster Alfano

Der 43-Jährige führt die erst im November entstandene Neue-Mitte-Rechts-Partei (NCD), mit der er wichtigster Koalitionspartner von Letta und der PD war. Ohne Alfano mit seinen 29 Abgeordneten und vor allem den 31 Senatoren würde Renzi kaum regieren können. "Wir sind Renzis Verhandlungspartner für Reformen", stellte Alfano klar. "Es ist schlichtweg so, dass wir entscheidend sind. Wenn wir Nein sagen, entsteht die neue Regierung nicht, und wenn wir Ja sagen, gibt es die neue Regierung", sagte der Minister am Sonntag.

Alfano trat äußerst selbstbewusst in Fiumicino bei Rom vor seine Partei und dazu gekleidet, wie es eigentlich Renzis Markenzeichen ist: im weißen Hemd mit offenem Kragen und aufgekrempelten Ärmeln. Dass er grundsätzlich bereit ist, mit seinen Parlamentariern die Koalition fortzuführen, hat Alfano gesagt. Er lässt aber keine Zweifel daran, dass er sich nicht auf eilige Absichtserklärungen einlassen will. Kompromissbereit sei er, aber "wir wollen ein genaues Programm", um zu entscheiden. "Wir wollen sicher sein, dass wir an einer revolutionären Regierung beteiligt sind", sagte Alfano am Sonntag. Und er nutzte das Gefühl der Stärke für eine deutliche Botschaft an einen anderen: Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Kraftprobe mit Renzi

Als dessen Kronprinz galt Alfano lange. Aber als Berlusconi die Partei Forza Italia (FI) wiederbelebte, spaltete sich Alfano mit der NCD ab. Er erhob schwere Vorwürfe gegen die FI, weil diese die Koalition verlassen hatte. Scharf wie nie ging er auf Distanz zu seinem politischen Ziehvater: "Berlusconi hat sich mit zu vielen unnützen Idioten umgeben", so Alfano, der nun die Kraftprobe mit Renzi sucht. Am Sonntagabend wollten die beiden sich treffen.

Renzi war, ehe er sich nach Rom aufmachte, in Florenz damit beschäftigt gewesen, eine Ministermannschaft auszutüfteln. Es gibt Spekulationen, wen er ins Auge fasst für ein Kabinett, das schlank bleiben soll mit 14 bis 18 Mitgliedern aus PD, NCD sowie den kleinen bisherigen Koalitionspartnern "Bürgerwahl" und sozialistische PSI. Als eine der interessantesten Figuren wird Andrea Guerra gehandelt. Der 48 Jahre alte Vorstandschef des italienischen Brillen-Konzerns Luxottica gilt als Kandidat für das Schlüsselressort Finanzen und Wirtschaft.

Auch über eine Aufgabe für Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo wird gesprochen. Wie in Deutschland könnte an die Spitze des Verteidigungsministeriums eine Frau aufsteigen, die Staatssekretärin Roberta Pinotti. Für das Arbeitsressort, eine Priorität Renzis, kommt Guglielmo Epifani, 63, in Frage. Vor Renzi hatte er übergangsweise die PD geführt, er war auch einst Vorsitzender des größten Gewerkschaftsbundes Cgil.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2014/jasch
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