Designierter CIA-Chef Brennan:Geheimniskrämer verspricht Transparenz

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Designierter CIA-Chef John Brennan: Vereidigung im US-Senat (Foto: Bloomberg)

"Drohnen fliegen, Kinder sterben": Der designierte CIA-Chef John Brennan muss im Senat heftige Kritik für die Terrorbekämpfung der US-Regierung einstecken. Dabei sind die Senatoren gar nicht gegen das Drohnen-Programm an sich. Sie fühlen sich jedoch zu wenig informiert. Brennan deutet an, was er in Zukunft ändern möchte.

Von Matthias Kolb, Washington

Die Begrüßung für John Brennan ist alles andere als freundlich. Kaum hat der designierte Chef der CIA den Sitzungssaal des Geheimdienstausschusses betreten, recken ihm Aktivisten Schilder entgegen, auf denen er als "Verräter", "Sicherheitsrisiko" und "Kriegsverbrecher" beschimpft wird. "Drohnen fliegen, Kinder sterben" steht auf einem weiteren Plakat. Die Friedensaktivisten von "Code Pink" fordern so lautstark ein "Ende der CIA-Morde", dass die Ausschussvorsitzende Dianne Feinstein nach einer Viertelstunde den Saal räumen lässt, um die Sitzung ohne Zwischenrufe abhalten zu können.

"Sie sehen, es wird lebhaft werden", hatte die Senatorin noch kurz zuvor gescherzt - und sie behielt recht. In den vier Stunden Sitzung entlädt sich der Frust von Demokraten und Republikanern über die Geheimniskrämerei der Regierung über den Einsatz von Kampfdrohnen - und John Brennan ist der Mann, der dieses Konzept für die Bekämpfung von Terroristen entwickelt hat.

Diese unbemannten Flugzeuge gehören zu jener "Machtpolitik per Joystick", die Präsident Barack Obama bevorzugt: Die USA sollen keine teuren Kriege mehr führen und Zehntausende Soldaten entsenden, sondern mit überlegener Technik (etwa mit Computerviren wie Stuxnet) und Spezialkräften operieren.

"Vertrauensdefizit" und "Ignoranz"

Der 57-jährige Terrorexperte muss nun den Klagen der Senatoren zuhören. Von "Vertrauensdefizit" und "Ignoranz" ist da die Rede und vom Gefühl, gegen Mauern zu rennen. Die Volksvertreter im Geheimdienstausschuss, deren Aufgabe die Kontrolle der Regierung und der Agenten ist, wollen erfahren, auf welcher Rechtsgrundlage der Präsident Terrorverdächtige töten lässt - und welche Beweise dafür konkret vorgebracht werden.

Dabei stehen die meisten Abgeordneten dem Drohnen-Programm an sich recht positiv gegenüber. Sie kritisieren vor allem den Mangel an Information. Feinstein berichtet, ihr sei verboten worden, die angeblich sehr geringe Zahl an zivilen Opfern zu nennen, mit der sie die "Effektivität" des Konzepts belegen wolle. "Das Argument, es sei eine Geheimoperation, zählt nicht mehr", sagt die Demokratin. Die Bürger wüssten, dass es diese Einsätze gebe und hätten ein Recht, mehr zu erfahren.

Tötung als allerletztes Mittel

Brennan verteidigt die Einsätze: "Wir unternehmen solche Schritte nur als letzten Ausweg, um Leben zu retten." Wann immer es möglich sei, würden Verdächtige festgenommen und befragt, versichert er: Die Tötung sei das allerletzte Mittel.

Dass die Geheimhaltung ein Problem ist, macht Brennan danach unfreiwillig deutlich: Er sei bestürzt, dass die Öffentlichkeit ein falsches Bild habe, sagte Brennan. Doch wie soll die Welt sich überhaupt ein Bild machen, wenn die Regierung permanent schweigt? Friedensnobelpreisträger Obama habe nicht einmal versucht, die Dauer-Geheimhaltung zu erklären, klagt die Washington Post in einem Kommentar.

Dass Brennan trotz der Kritik damit rechnen kann, zum Nachfolger des wegen einer Affäre abgetretenen, früheren Generals David Petraeus gewählt zu werden, liegt an einer Kurskorrektur des Weißen Hauses. Am Montag hatte NBC ein Papier des Justizministeriums veröffentlicht ( hier als PDF), in dem die Rechtsgrundlage für die Tötung von terrorverdächtigen US-Bürgern im Ausland erklärt wurde: Entscheidend sei demnach, dass eine "unmittelbare Bedrohung" vorliege ( Details hier). Hier geht es vor allem um den radikalen Prediger Anwar al-Awlaki, der in New Mexico geboren wurde und im Jemen von einer Drohne getötet wurde.

Am Tag vor Brennans Anhörung ordnete Obama seine Beamten an, den zuständigen Ausschüssen Einsicht in weitere Geheimdokumente zu gewähren. Dies wurde zwar von Skeptikern wie Oregons Senator Ron Wyden nur als "allererster Schritt" angesehen, doch offensichtlich beruhigte es die liberalen Kritiker. Und im Gegensatz zum potenziellen Verteidigungsminister Chuck Hagel war Brennan bei der Anhörung hochkonzentriert, bestens vorbereitet und charmant-witzig im Umgang.

Brennans Antworten zu den wichtigsten Themen im Überblick:

Geheimniskrämerei um Drohnen-Einsätze: Wiederholt betonte Brennan den Wert von Transparenz und sicherte den Senatoren zu, ihnen und den Bürgern so viele Dokumente wie möglich bereitzustellen. Auf ihn warte ein Spagat: "Die Öffentlichkeit soll so viel wie möglich erfahren, und die Programme müssen so geheim wie möglich sein, um erfolgreich zu sein." Geschickt vermied er es jedoch, konkrete Zusagen zu machen.

Brennan beteuerte, "immer ehrlich" sein zu wollen. Er werde nicht die Antworten geben, die der Präsident oder die Senatoren hören wollten: "Ich werde sagen, was Sie hören müssen." Den von Kritikern wie dem früheren Oberbefehlshaber der internationalen Truppen in Afghanistan, Ex-Viersternegeneral Stanley McChrystal, erhobene Vorwurf, die Drohnen würden mittlerweile zur Tötung von einfachen Kämpfern benutzt und daher dem Ansehen der USA in der Welt schaden ( Hintergründe hier), wies Brennan scharf zurück. Im Jemen seien viele Bürger dankbar, dass Amerika ihre Gegend vom "Krebsgeschwür" des Terrors befreie. Brennans Rhetorik ist typisch: Die unbemannten, mit Raketen bestückten Flugzeuge werden als Werkzeuge bezeichnet - und nicht als Waffen.

Verhörmethoden während der Bush-Jahre: Bereits 2008 hatte Obama überlegt, Brennan die Leitung des Auslandsgeheimdienstes zu übertragen, doch damals war Kritik an dessen Haltung zum brutalen Verhörprogramm nach 9/11 laut geworden. Anders als sein Vorvorgänger Leon Panetta bezeichnete Brennan Waterboarding (simuliertes Ertränken) nicht als Folter. Brennan, der damals eng mit dem damaligen CIA-Direktor George Tenet zusammengearbeitet hatte, erklärte zudem, dass er nicht versucht habe, den Einsatz von Waterboarding zu stoppen: Er habe in Privatgesprächen mit Kollegen seine Ablehnung geäußert, doch für die Entscheidung seien andere zuständig gewesen.

Nun sagte er, er werde als CIA-Chef dafür sorgen, dass solche Methoden weiter nicht eingesetzt würden. Die Lektüre der ersten 300 Seiten eines 6000 Seiten starken, unveröffentlichten Senatsberichts über das Verhörprogramm des Geheimdiensts während der Bush-Jahre habe ihn "schockiert" ( mehr über die CIA-Methoden am Beispiel Polens in diesem SZ-Artikel). Hier, so die Überzeugung des Ausschusses, ist vieles außer Kontrolle geraten. "Es schockiert mich, dass Sie die Lektüre schockiert", entgegnete Jay Rockefeller, demokratischer Senator aus West Virginia, und forderte den Karrierebeamten auf, die Erkenntnisse zur Schulung von CIA-Mitarbeitern zu nutzen. Auch hier sicherte Brennan Transparenz zu.

Gefahren für Amerikas Sicherheit: Brennan erklärte zu Beginn, er wolle als CIA-Chef die USA vor Gefahren aus dem Cyberspace schützen. Die Infrastruktur des Landes werde täglich angegriffen. Zudem bereite ihm die instabile Lage in Syrien sowie in Nordafrika große Sorge. Das Terrornetzwerk al-Qaida sei zwar in Afghanistan und Pakistan stark geschwächt, doch seine Ableger blieben gefährlich. Konkrete Maßnahmen nannte der 57-Jährige nicht. Irans Nuklearprogramm und eine möglich Bedrohung durch Nordkorea wurden kaum thematisiert.

Den von einigen Republikanern erhobenen Vorwurf, er habe im Mai nach einem durch einen Doppelagenten vereitelten Anschlag des jemenitischen Al-Qaida-Ablegers geheime Information an die Presse weitergegeben, wies Brennan strikt von sich: "Ich bin in dieser Angelegenheit Zeuge, kein Verdächtiger."

Die Mitglieder des Geheimdienstausschusses werden Brennan am kommenden Dienstag hinter verschlossenen Türen weiter befragen. Dann dürfte die Begrüßung deutlich höflicher ausfallen - und Beobachter in Washington halten es sogar für möglich, dass er noch am gleichen Tag ins neue Amt gewählt werden könnte. Die Demokratin Dianne Feinstein, die Vorsitzende des Ausschusses, hat sich ihre Meinung schon gebildet: "Ich denke, Sie werden ein hervorragender CIA-Chef sein."

Linktipps: Ein ausführliches Porträt über John Brennan und seine Rolle beim Ausbau des US-Drohnenprogramms erschien in der Washington Post. In einem Essay für Foreign Affairs fasst Sarah Holewinski die Kritikpunkte von Juristen und Menschenrechtlern an Obamas Einsatz von Drohnen zusammen.

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