US-Wahl:Amerika wählt den großen Spalter

Donald Trump

Trump sieht sich als Amerikaner und als solcher könnten seine Interessen im Vordergrund stehen.

(Foto: AP)

Donald Trump hat alle Voraussetzungen, George W. Bush als fragwürdigsten Präsidenten zu übertreffen. Die "eine Nation", der Amerikaner täglich die Treue schwören, gibt es nicht mehr.

Kommentar von Kurt Kister

In vielen Schulen Amerikas wird jeden Morgen die Pledge of Allegiance gemeinschaftlich gesprochen, der Treueschwur zu Fahne und Land. Dieses säkulare Glaubensbekenntnis ertönt auch bei Veranstaltungen, bei der Eröffnung der Sitzungen im Kongress und bei der Einbürgerung von Neu-Amerikanern. "One nation under God, indivisible", heißt es darin, eine Nation unter Gott, unteilbar.

Das stimmt nicht mehr, die Wahl Donald Trumps belegt es. Die Vereinigten Staaten sind in zwei Hälften gespalten, die wiederum aus vielen Gruppen und Schichten bestehen, von denen sich manche für "das" Volk halten und gerne auch Gott für sich allein beanspruchen. In der Person Trumps ist der große Spalter zum Präsidenten gewählt worden. Von nun an müsste es im Treueschwur heißen: many nations under many Gods, divisive - viele Volksgruppen mit verschiedenen Göttern, polarisiert und polarisierend.

Donald Trump ist ein Nationalist, der sich als Patriot ausgibt. Sein Patriotismus hat rassistische Züge, wie sich nicht nur an seinen Bemerkungen zum Beispiel über Amerikaner mexikanischer Abstammung belegen lässt. Als Nationalist redet er auch der wirtschaftlichen Abschottung und einem (Straf-) Zollsystem das Wort. Was die Organisation des Freihandels, speziell TTIP angeht, ist der Rechtspopulist Trump der wohl wirkmächtigste Verbündete von Attac oder den Grünen: Seine Wahl bedeutet das Ende von TTIP.

Der König des legalen Unterschleifs wird Präsident

Vom Bündnissystem, in das die USA in Europa und anderswo eingebunden sind, hält Trump wenig, soweit er es denn überhaupt kennt. Er will den in Dollars nachzählbaren Nutzen für sein Land sehen - oder eben Amerika dadurch great machen, dass er zum Beispiel die Nato Nato sein lässt. Apropos Dollars und Finanzierung des Gemeinwohls: Trumps Selbstlob, er habe mit seiner Steuervermeidung nur klug das System ausgenutzt, nobilitiert alle Gelegenheitssteuerzahler. Während Europa Gesetze macht, um so etwas zu verhindern, zieht der König des legalen Unterschleifs ins Weiße Haus ein.

Diese kurze Beschreibung von Trumps Welt ist kein Horrorszenario eines geschockten Mitglieds der abgehobenen Elite. Nein, dies alles hat jeder, der Trumps Wahlkampf verfolgt hat, so oder ähnlich immer wieder gehört. Sollte der Mann also nach seiner Inauguration im Januar Wort halten und versuchen, das zu tun, was er angekündigt hat, werden sich die USA unter anderem Schritt für Schritt aus jener Politik- und Wertegemeinschaft zurückziehen, in der sie selbst noch während der Amtszeit von George W. Bush verblieben sind. Der war in der jüngeren US-Geschichte der fragwürdigste Präsident. Donald Trump hat alle Anlagen, Bush zu übertreffen - respektive zu unterschreiten, ganz wie man das sehen will.

Nun wird man abwarten müssen, ob in Trump, dem Präsidenten auch tatsächlich Trump, der Gefühlsnationalist und TV-Choleriker obsiegt. Ämter können Menschen zivilisieren. Manchmal bewirken sie allerdings auch das Gegenteil, was man an so unterschiedlichen Trump-Avataren wie Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdoğan auf unterschiedliche Art sieht. Mit beiden Regierungen, mit der in Moskau und der in Ankara, ist Dialog und Kooperation wichtig, ja unerlässlich. Auch für Washington trifft das zu. Dass man so etwas am Tag nach der Wahl ausdrücklich betonen muss, ist elend.

Das Weiße Haus lässt sich nicht wie ein Kasino führen

Auch wenn sich Trump im Wahlkampf so anhörte, wird er sich im Amt hoffentlich nicht der Autoritären Internationalen anschließen. Das ist eher unwahrscheinlich, weil in den USA trotz aller Unwägbarkeiten das System der Checks and Balances, der Kontrolle der Exekutive, funktioniert. Das Weiße Haus lässt sich nicht wie ein Kasino in Atlantic City führen, bei dem Trump zum eigenen Vorteil einen kalkulierten Bankrott organisiert.

Jene Staaten in Europa, die bisher zu Amerikas engen Verbündeten gehören, müssen sich jetzt umstellen. Zwar heißt es nahezu alle vier Jahre, dass sich die USA entweder mehr Asien oder mehr sich selbst zuwenden. All die Jahrzehnte vorher aber wurde nie ein protektionistischer Nationalist zum Präsidenten gewählt. Außerdem wird der republikanisch beherrschte Kongress Trump erst einmal bedingungslos folgen.

Das Verhältnis zwischen Europa und den USA wird nicht nur kompetitiver, sondern auch konfrontativer werden. Deswegen muss die EU - und sei es in einem kleineren Kreis von Kernstaaten - eine Strategie entwickeln. Dies beginnt bei der Handelspolitik ohne TTIP, setzt sich über Verteidigung und Sicherheit fort (die Nato wird stark an Bedeutung verlieren) und hört bei den Geheimdiensten nicht auf. Vielleicht ist es noch kein Abschied von Amerika, aber doch eine Inventur vor der Aufhebung einer Gütergemeinschaft.

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