Der neue Bundestag:Gedrängel in der ersten Reihe

Im neuen Bundestag belegt die Union sechs vordere Sitze, die SPD muss sich mit dreien begnügen. Die Sozialdemokraten sind deshalb angesäuert: Die Union sei "wenig souverän".

D. Brössler

Genau einen Monat nach der Bundestagswahl müssen die Sozialdemokraten noch einmal ganz tapfer sein. Am 27.Oktober kommt der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Augenfällig wird dann die Niederlage der SPD. In der ersten Reihe des Plenums dürfen nur noch drei Sozialdemokraten Platz nehmen, während die Union ganz vorne mit sechs Parlamentariern vertreten sein wird. So hat es am Dienstag der "Vorältestenrat" entschieden, jenes Gremium, das noch vor dem ersten Zusammentreten des Bundestages organisatorische Fragen klärt.

Nach dem von den künftigen Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP durchgesetzten Beschluss wird es in der ersten Reihe des neuen Bundestages 15 der als Blickfang für die Fernsehkameras begehrten Sitze geben. Je zwei der Plätze gehen an FDP, Grüne und Linkspartei. Die Regierungskoalition wird sich demnach in Reihe eins vorne mit acht, die Opposition mit sieben Abgeordneten zeigen. Das entspricht dem Kräfteverhältnis im Parlament, zeigt aber auch besonders brutal die neue Schwäche der Sozialdemokraten.

Sie ist der große optische Verlierer der Sitzverteilung. In der vergangenen Legislaturperiode waren CDU/CSU und SPD in der ersten Reihe noch gleichauf gewesen, was allerdings auch ein Zugeständnis der Union an ihren damaligen Koalitionspartner gewesen war. Dass die SPD künftig vorne im Plenarsaal nur noch halb so sichtbar ist, entspricht indes dem tatsächlichen Kräfteverhältnis nicht. Mit 239 Sitzen ist die Unionsfraktion zwar groß, aber bei weitem nicht doppelt so groß wie jene der SPD, die 146 Abgeordnete stellt. Die Verzerrung ergibt sich rechnerisch aus dem im Bundestag angewandten Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren - aber auch aus der Entscheidung des "Vorältestenrates", die erste Reihe um einen auf 15 Sitze zu erweitern. Erst dadurch ergibt sich für die Union ein Platz mehr als bisher.

"Die Union hat offenkundig das Bedürfnis nach optischer Größe", moniert der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Sie wolle "größer erscheinen als sie nach dem Wahlergebnis tatsächlich ist". Das sei "wenig souverän". Auch sein Grünen-Kollege Volker Beck beklagt:"Die Koalition hat mit ihrer Macht auf 15 Sitzen bestanden, was dazu führt, dass die Union überproportional groß wirkt."

Vor einem ganz anderen Problem steht jetzt die Linkspartei. Im vorigen Bundestag hatte sie einen Platz in der ersten Reihe, aber zwei Fraktionsvorsitzende. Nun ist es umgekehrt. Im Plenum belegen die Linken künftig zwei der Vordersitze. Nach dem Rückzug Oskar Lafontaines gibt es vorerst aber nur noch einen Fraktionschef, nämlich Gregor Gysi. Wer künftig in der ersten Reihe sitze, stehe noch nicht fest, hieß es bei den Linken. Derweil begannen im Plenum die Umbauarbeiten.

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