Der Gastgeber:Warschauer Schmeicheleinheiten

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Polens Regierung sucht die Nähe zur Nato, die EU dagegen ist Ministerpräsidentin Beata Szydlo derzeit eher Anlass zum Ärger. (Foto: Radek Pietruszka/dpa)

Die Polen werden beim Gipfel vor allem US-Präsident Barack Obama umwerben - andere Besucher haben es da bedeutend schwerer.

Von Florian Hassel

Im VIP-Teil der Fußball-Arena von Warschau ist zuletzt viel gewerkelt worden. Dabei wurde das Stadion, dessen Inneres gleichzeitig als Kongresszentrum dient, erst 2012 errichtet. Doch jetzt hat die polnische Regierung dort im Inneren der Arena eine Kopie des Oval Office im Weißen Haus in Washington einbauen lassen. Denn wenn die Polen an diesem Freitag und Samstag zum Nato-Gipfel in die Warschauer Kongressmaschine bitten, dann zählt für sie ein Gast ganz besonders und mehr als alle anderen: US-Präsident Barack Obama.

Obama will auch über die Krise um Polens Verfassungsrichter sprechen, heißt es aus Washington

Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz spricht vom "größten, umfangreichsten und bedeutendsten Gipfel der Nato" aller Zeiten - was vielleicht dann doch ein Superlativ zu viel ist. Dass die Regierung den Gipfel indes für so bedeutend hält, hat Gründe: Wegen ihres rechten innenpolitischen Kurses steht sie international schwer in der Kritik. Da soll der Nato-Gipfel zeigen, dass Polen trotz allem nicht isoliert ist. Polens Präsident Andrzej Duda trifft Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, den britischen Noch-Premier David Cameron und den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Und vor allem: Barack Obama.

Die USA und die von ihr dominierte Nato stehen bei Polens Regierenden in deutlich höherem Ansehen als die EU, die die Politik der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) und ihres Führers Jarosław Kaczyński deutlich kritisiert hat. Seit Mai bringen polnische Lehrer ihren Schülern die Segnungen der Nato nahe. Die Nato besteht für Polen vor allem aus den USA. Jedes Zeichen engerer militärischer Zusammenarbeit mit Washington feiert Warschau: etwa Mitte Mai die offizielle Grundsteinlegung einer US-Radar- und Raketenbasis an der Ostsee oder das Militärmanöver Anakonda im Juni, an dem vor allem polnische und amerikanische Soldaten teilnahmen. Dass gerade die USA künftig ein Bataillon in Polen stationierter Nato-Soldaten führen werden und Panzer für einen Konfliktfall in Osteuropa bereithalten, wolle die polnische Regierung als "ernsthafte Sicherheitsgarantie für unser Land" verstanden wissen, so die regierungsnahe Rzeczpospolita.

Für Normalsterbliche ist Warschau während des Gipfels mit etwa 4100 Gästen in weiten Teilen gesperrt. 16 000 Polizisten sind im Einsatz, dazu Militär, Grenzschutz und die Geheimdienste. Im Umkreis von drei Kilometern um das Stadion darf nicht geparkt werden, Straßen und eine zentrale Brücke über die Weichsel sind gesperrt, Busse und Straßenbahnen werden umgeleitet. Die hohen Gäste sollen über dem Fußballstadion eine Militärshow von Jagdflugzeugen aus Nato-Ländern zu sehen bekommen. Die Außenminister werden in der Oper bewirtet, die Verteidigungsminister in einem ehemaligen Bischofspalast, Obama und weitere 38 Staats- und Regierungschefs im Präsidentenpalast.

Der diplomatische Ritterschlag aber, auf den Warschau gehofft hatte, bleibt aus: ein gesonderter Besuch des US-Präsidenten beim polnischen Präsidenten, bei der Regierung oder im Parlament. Das hätte so ausgesehen, als würde Obama den Kurs der polnischen Regierung gutheißen - nichts liegt Washington ferner; die US-Regierung mahnt Warschau seit Monaten, zu demokratischen Grundsätzen zurückzukehren. Und so empfängt Obama an diesem Freitag Duda gleichsam auf heimischem Territorium: im Fußballstadion, im Nachbau des Oval Office. Obama wird nicht nur Sicherheitsthemen oder US-Investitionen ansprechen, wie es Warschau gern gehabt hätte. Das Weiße Haus betonte am Mittwoch, Obama werde mit Duda auch über die Krise um Polens Verfassungsgericht reden. Im Klartext: Ihn auffordern, endlich wieder die Autorität und alle Urteile der höchsten Richter anzuerkennen.

Das Verfassungsgericht dürfte nicht nur zwischen Obama und Duda Thema sein. An einem von Ministerpräsidentin Beata Szydlo ausgerichteten Festessen für Nato-Partner nehmen als EU-Vertreter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und sein Vize Frans Timmermans teil. Die Kommission ist unzufrieden mit der Antwort Polens im Rechtsstaatsverfahren, das sie gegen Warschau eingeleitet hat. Am Donnerstag verabschiedete Polens Parlament ein neues Gesetz im Eilverfahren.

Es sieht vor, das Verfassungsgericht faktisch der Regierung zu unterstellen. Urteile sollen zudem nicht mehr mit einfacher Stimmenmehrheit der Richter möglich sein, und über Klagen soll nur in der Reihenfolge ihres Eingangs entschieden werden. Solche Vorschriften widersprechen rechtsstaatlichen Grundsätzen, die der Europarat seinen Mitgliedern, also auch Polen, empfiehlt. Zudem weigert sich Polens Regierung weiter, ein gegen sie ausgefallenes Urteil der Warschauer Verfassungsrichter zu veröffentlichen, das die Grundlagen der Gewaltenteilung in Polen bekräftigt. Gesprächsstoff gibt es also genug. Aber wohl nicht den, den Polens Regierung schätzt.

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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