Süddeutsche Zeitung

Der Fall Timoschenko und die EM:Warum der Flashmob gegen die Ukraine sein Ziel verfehlt

Ein möglicher EM-Boykott erregt die Republik. Doch egal, ob Boykott oder Sanktionen: Wer auf andere Länder Einfluss nehmen will, der sollte sich vorher gut überlegen, was am Ende ein realistisches Ziel sein könnte. Der Boykott-Flashmob gegen die Ukraine jedenfalls hat die Fronten verhärtet.

Stefan Kornelius

Nach einem langen Erregungs-Wochenende in Deutschland (und nur dort) gibt es folgende Positionen in Sachen EM-Boykott: Politiker dürfen nicht in die Ukraine fahren, weder der hessische Ministerpräsident noch der wahlkämpfende Bundesumweltminister.

Nicht, dass man sie zur EM erwartet hätte, aber nun haben sie Maßstäbe gesetzt: Wer fährt, verrät Julia Timoschenko. Die Sportler dürfen fahren, aber es wird erwartet, dass sie sich kritisch verhalten. Sie könnten also orangefarbene Armbinden tragen. Die Sportfunktionäre haben alle Hände voll zu tun, eine Verlegung des Turniers abzuwehren. Und die Regierung der Ukraine wird die Sache aussitzen und Timoschenko selbstverständlich nicht ausreisen lassen.

In der Sache hat sich also nichts verbessert, aber immerhin war die Empörung groß. Ob Boykott oder Sanktionen: Wer auf andere Länder Einfluss nehmen will, der sollte sich vorher gut überlegen, was am Ende ein realistisches Ziel sein könnte. Der Boykott-Flashmob gegen die Ukraine hat sein Ziel verfehlt und zu einer Verhärtung beigetragen.

Niemand kann dem Empörungs-Chor ernsthaft böse sein - Timoschenko wird schändlichst behandelt, und die Regierung Janukowitsch muss man nicht zum Freund haben. Dass sich eine Wut-Welle aufbaut, ist beim Thema Fußball auch nicht verwunderlich. Aber wie kommt man da wieder herunter?

Zwei Ratschläge: Erwartungen dämpfen, die Zeit wirken lassen. Wer Timoschenko helfen will, muss nun erst mal schweigen. Die Ukraine wird auf blanken Druck nicht reagieren. Deswegen muss ein Gegengeschäft aufgebaut werden. Welche Wucht in dem Thema steckt, hat die Regierung Janukowitsch zumindest erfahren.

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Quelle:
SZ vom 02.05.2012
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