Süddeutsche Zeitung

Der Fall Maaßen:"Eine dreiste Lösung"

  • Die Entscheidung im Fall Maaßen hat auch in der SPD viel Kritik ausgelöst. Sogar von einer "dreisten Lösung" ist die Rede.
  • Die Linke spricht von einer "Farce", die FDP von einer "Scheinlösung". Die AfD bedauert dagegen, dass mit Maaßen der "nächste kritische Kopf" rasiert worden sei.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

Die Koalition mag noch einmal gerettet sein, für Andrea Nahles zeichnet sich aber schon wieder Ärger ab. Die SPD-Chefin muss jetzt in ihrer Partei das Verhandlungsergebnis verteidigen - und das scheint nicht einfach zu werden. Nahles hat zwar, wie versprochen, dafür gesorgt, dass Hans-Georg Maaßen an der Spitze des Verfassungsschutzes abgelöst wird. Dass er jetzt im Innenministerium Karriere machen darf, ruft in der SPD aber erheblichen Unmut hervor.

Nicht nur Boris Pistorius, SPD-Vorstandsmitglied und Innenminister in Niedersachsen, ist entsetzt über den Kompromiss. Es sei zwar gut, dass Maaßen abgelöst werde, sagt er der Süddeutschen Zeitung. Als politischer Beamter habe Maaßen damit rechnen müssen. Dann entlädt sich aber sein Ärger: Deswegen sei es "umso unverständlicher und nicht nachvollziehbar, dass seine Ablösung mit einer Beförderung zum Staatssekretär verbunden ist". Dafür trage Horst Seehofer die Verantwortung, sagt Pistorius.

Fakt ist aber auch, dass Nahles an der Entscheidung beteiligt war. Und dass es in der SPD erheblichen Unmut darüber gibt. Wieder einmal scheint es für die Sozialdemokraten schwer zu werden, aus einem Koalitionsstreit gestärkt hervorzugehen. Martin Dulig, Chef der Sachsen-SPD, nennt das Verhandlungsergebnis "eine dreiste Lösung". Auf Twitter schreibt er, es gehe doch um das Vertrauen in den Rechtsstaat. Seinen Ärger adressiert er formal an Seehofer, dieser erreiche mit dem Wechsel von Maaßen nur "das Gegenteil". Aber Duligs Parteichefin hat der Beförderung zugestimmt.

Florian Post, ein Anhänger von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, zerfetzt das Verhandlungsergebnis. Dem Spiegel sagt er, man brauche sich nicht mehr wundern, "dass man die Politik nicht mehr ernst nimmt, wenn wirklich alle, aber auch alle Vorurteile durch uns bestätigt werden".

Die Unterstützer von Nahles brauchen am Dienstagabend dagegen Zeit, um Worte zu finden. Innenexperte Burkhard Lischka spricht von einem "vertretbaren Kompromiss", entscheidend sei, dass in einer der wichtigsten Sicherheitsbehörden wieder Vertrauen aufgebaut werden könne.

Die Opposition kritisiert die Beförderung von Maaßen ungewöhnlich heftig. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, spricht von einer "unfassbaren Mauschelei". Wer "illoyales Verhalten und Kuschelei mit der AfD" belohne statt ahnde, habe jedes Gespür für Anstand verloren. FDP-Chef Christian Lindner sagt, die Beförderung von Maaßen sei eine "Scheinlösung". Das Theater offenbare nur, "dass die Koalition keine Linie" habe.

Auch Grünen-Chef Robert Habeck zeigt sich empört. Maaßen habe "durch Unwahrheiten und Behauptungen das Vertrauen in den Verfassungsschutz zerstört", twittert er. Zur Belohnung werde er jetzt zum Staatssekretär befördert. Da habe die SPD ja "mal wirklich gezeigt, wie man sich durchsetzt", fügt er voller Sarkasmus an. Dass die SPD die Beförderung von Maaßen mittrage, sei "eine Farce", sagt auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel beklagt dagegen, dass in Maaßen "der nächste kritische Kopf rasiert" worden sei, der auf die "fatalen Folgen der Einwanderungspolitik" der Bundeskanzlerin aufmerksam gemacht habe.

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SZ vom 19.09.2018
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