Süddeutsche Zeitung

US-Monumente:Männer in Stein

In den USA gibt es mehr Denkmäler für Meerjungfrauen als für Parlamentarierinnen. Vor allem zu sehen sind reiche, weiße Männer - gerne auch mit Waffe.

Von Kathrin Werner

Es ist nur ein paar Wochen her, dass ein Kran Robert E. Lee von seinem Sockel hob. Hoch zu Ross, zwölf Tonnen schwer, 18,5 Meter hoch, zierte die Statue des Generals, der im Amerikanischen Bürgerkrieg für die Konföderierten kämpfte, seit mehr als 130 Jahren einen Platz in Richmond im US-Bundesstaat Virginia. Beziehungsweise: verunzierte. Seit Jahren gab es Proteste gegen die Statue des Sklaverei-Verfechters, sein Podest war graffitiverschmiert. Die Menschenmenge jubelte, als Lee sich auf den Weg ins Lager machte.

Noch immer stehen 59 Robert E. Lees in den USA herum. Und sie sind in guter Gesellschaft. Fast 50 000 Statuen sind in verschiedenen Datenbanken erfasst und in historischen Dokumenten erwähnt, die Initiative Monument Lab hat sie akribisch ausgewertet - und herausgefunden: Fast alle Menschen, denen die Vereinigten Staaten ein Denkmal setzen, sind weiß, fast alle männlich, fast alle waren reich, viele haben eine Waffe in der Hand.

Zu den 50 am häufigsten vertretenen Personen gehören elf Präsidenten und zwölf Generäle, darunter auch Lee. Am häufigsten zu sehen: Abraham Lincoln, George Washington und Christopher Columbus, der nie einen Fuß auf das nordamerikanische Festland setzte und dort heutzutage eine enorm umstrittene Figur ist. Die Hälfte der Personen auf der Top-50-Liste versklavte Menschen. Mehr als ein Drittel war in reiche Familien hineingeboren. Mehr als drei Viertel besaßen Land. Nur fünf sind nicht weiß. Gerade einmal drei Frauen schaffen es unter die ersten 50: Die französische Nationalheldin Joan of Arc, die mit der US-Geschichte nichts weiter zu tun hat, Harriet Tubman, die gegen die Sklaverei kämpfte, und die Ureinwohnerin Sacagawea, die sich dadurch auszeichnete, dass sie zwei Männern, Lewis und Clark, bei deren Expedition half.

Eine genaue Zählung ergibt: Es gibt sogar elf Mal mehr Meerjungfrauen-Statuen, 22 im ganzen Land, als solche von Parlamentarierinnen. Nur zwei Standbilder zeigen weibliche Mitglieder des Kongresses.

"Die Dauerhaftigkeit unserer Gedenklandschaft ist eine Illusion"

"Wenige Figuren und Themen haben die vielen verschiedenen kollektiven Erfahrungen, die unsere Vergangenheit ausmachen, überschattet", sagt Elizabeth Alexander, die Präsidentin der Andrew-W.-Mellon-Stiftung, die die Studie bezahlt hat. Wem ein Denkmal gesetzt wird, hänge weniger davon ab, wer es verdient, sondern mehr, wer die Ressourcen und die Macht hatte, Geschichte festzuschreiben. Doch Statuen seien nicht statisch, wie die jüngste Entfernung des Generals zu Pferde beweist.

Schon 1776 haben die Amerikaner ein Denkmal wieder entfernt - das des im Unabhängigkeitskrieg verhassten englischen Königs George III. Die Mellon-Stiftung setzt sich mit 250 Millionen Dollar dafür ein, dass Standbilder ersetzt und erneuert werden und so die Geschichte gerechter repräsentieren und mehr den heutigen Werten der Amerikaner entsprechen - auch wenn selbst diese sehr vielfältig sind. Schließlich gab es heftige Proteste auch gegen die Entfernung Lees. "Die Dauerhaftigkeit unserer Gedenklandschaft ist eine Illusion", sagt Alexander. "Unsere gebaute Umwelt ist in Bewegung. Sie war schon immer in Bewegung."

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