Den Haag:Weltstrafgericht nimmt Vorermittlungen zu Palästina auf

  • Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat Vorermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in Palästina angenommen.
  • Ein Gegenstand der Prüfung dürfte der massive Beschuss des Gaza-Streifens durch die israelische Armee während des 50-tägigen Kriegs im Sommer sein.
  • Israel reagierte mit scharfer Kritik. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte das Vorgehen des Strafgerichtshofes empörend.

"Die Anklage wird ihre Analyse völlig unparteiisch ausführen"

Am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sind Vorermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in Palästina angelaufen. Das teilte Chefanklägerin Fatou Bensouda mit. "Die Anklage wird ihre Analyse völlig unabhängig und unparteiisch ausführen", erklärte Bensouda. Es geht nach ihren Worten zunächst nicht um ein förmliches Ermittlungsverfahren. Die Entscheidung war durch den Beitritt Palästinas zum Grundlagenvertrag des Gerichtshofs Anfang Januar möglich geworden.

Israel reagierte mit scharfer Kritik. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte es empörend, dass nur wenige Tage nach den terroristisch motivierten Morden an Juden in Paris der Strafgerichtshof gegen den jüdischen Staat Israel vorgehe. Auch Außenminister Avigdor Lieberman nannte die Entscheidung laut Medienberichten skandalös.

2230 Tote durch Beschuss des Gaza-Streifens im Sommer

Ein Gegenstand der Prüfung dürfte der massive Beschuss des Gaza-Streifens durch die israelische Armee während des 50-tägigen Kriegs im Sommer sein. Dabei wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 2230 Menschen getötet oder sie starben später an ihren Verletzungen. Etwa 11 000 Einwohner des Gazastreifens wurden verletzt. Auf israelischer Seite starben mehr als 70 Menschen, Hunderte wurden verletzt.

Bensouda erwähnte in ihrer Erklärung Israel oder die israelische Armee mit keinem Wort. Durch den Beitritt Palästinas sind aber Anklagen gegen Israelis möglich. Aber auch mögliche Verbrechen von Palästinensern, wie etwa Raketenangriffe auf Israel, könnten untersucht werden. Die Chefanklägerin wird nun zunächst Informationen zur Lage in dem Gebiet prüfen. Für die Einleitung eines offiziellen Ermittlungsverfahrens muss es einen richterlichen Beschluss geben.

Auch Israelis wollen Palästinenser auf die Anklagebank bringen

Palästina hatte im Januar das sogenannte Römische Statut des Gerichtes unterzeichnet und zusätzlich dessen Zuständigkeit rückwirkend zum 13. Juni 2014, dem Beginn der Gazaoffensive Israels, anerkannt. Aus Enttäuschung über das Scheitern einer Nahost-Resolution im UN-Sicherheitsrat hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in der Silvesternacht den Beitrittsantrag unterzeichnet. Die Palästinenser hatten den international bedeutsamen Schritt lange unterlassen, um die im vergangenen April gescheiterten Friedensverhandlungen mit Israel nicht zu gefährden.

Auch Israelis wollen Palästinenser in Den Haag auf die Anklagebank bringen. Israel wirft militanten Palästinensern vor, mit Raketenangriffen auf israelische Zivilisten Kriegsverbrechen begangen zu haben. Der Strafgerichtshof hat bisher nur Verfahren zu afrikanischen Ländern eingeleitet.

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