Demonstrationen - Pirna:Polizist bei Corona-Demo verletzt: "Gewaltbereite Hooligans"

Corona
Polizisten stehen am Rand einer Demonstration von Gegnern der Corona-Maßnahmen auf dem Marktplatz. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Pirna (dpa/sn) - Sachsens Innenminister Roland Wöller hat für die Übergriffe auf Polizisten bei einer nicht genehmigten Corona-Demonstration in Pirna "Hooligans" verantwortlich gemacht. Dort sei "erstmals eine größere, geschlossene Gruppe von gewaltbereiten Hooligans tätlich geworden", sagte der CDU-Politiker am Donnerstag beim Videobriefing der Regierung zur Lage im Freistaat. Das sei ein Indiz dafür, dass ganz gezielt "Verfassungsfeinde, Extremisten und Rechtsextremisten" legitime Proteste nutzten, um ihre Ziele zu erreichen: "Deswegen müssen wir genau hingucken."

Am Vorabend hatten sich nach Angaben der Polizei rund 200 Menschen zu einer nicht genehmigten Demonstration in Pirna versammelt. Dabei hätten 30 "Gewaltbereite" die Einsatzkräfte angegriffen, wobei ein Beamter leicht verletzt wurde. Der Mann sei ambulant behandelt worden und könne weiter seinen Dienst ausüben, sagte ein Polizeisprecher. Etwa eine Stunde nach Beginn löste sich die Versammlung wieder auf.

Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach sich unterdessen gegen eine pauschale Verurteilung der Demonstranten aus, warnte aber vor einer Vereinnahmung der Proteste durch Leute, "die alles nutzen, um Stimmung zu machen und auch falsche Informationen streuen" - so der CDU-Politiker gegenüber der "Sächsischen Zeitung" (Freitag). "Ich respektiere, dass Menschen demonstrieren und warne davor, alle Proteste in einen Topf zu werfen", sagte der Regierungschef.

Der DDR-Bürgerrechtler Frank Richter sieht Gemeinsamkeiten zwischen den Corona-Protesten und der Pegida-Bewegung. "Die Proteste leben von einer gewissen Diffusität und Empörung. Heute wie damals bei Pegida sind Gewaltbereite und Hetzer dabei. Das ist gefährlich. Trotzdem besteht kein Grund, alle Teilnehmer von vornherein abzustempeln. Wir müssen versuchen, mit ihnen zu diskutieren; bei vielen wird das nicht gelingen", sagte er der "Freien Presse". Richter sitzt als Parteiloser für die SPD im Landtag.

Wöller zufolge wurde die Identität der Betroffenen in Pirna festgestellt, die aus der Demonstration heraus die Polizeibeamten attackiert hatten. Die Polizei habe "klar, konsequent und maßvoll" reagiert. Der Verfassungsschutz komme auch im Falle von Pirna seiner Aufgabe nach. Man werde sorgfältig beobachten, wie das Geschehen dort weitergehe.

Insgesamt wurden bislang acht Strafverfahren unter anderem wegen Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollzugsbeamte eingeleitet. Es sei möglich, dass nach Auswertung der Videoaufzeichnungen weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet würden. Ein konkreter Initiator des "Spaziergangs" könne nicht ausgemacht werden, es habe stattdessen Aufrufe verschiedenster Personen im Internet gegeben, hieß es.

Die Polizei geht davon aus, dass die Welle nicht genehmigter Demonstrationen im Zusammenhang mit Corona-Beschränkungen nicht abreißt. Wahrscheinlich werde es auch am nächsten Mittwoch wieder zu Aufrufen kommen und dann auch zu polizeilicher Betreuung, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag.

Bereits vor einer Woche hatten sich etwa 250 Menschen an derselben Stelle getroffen, um gegen die Restriktionen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu demonstrieren. Die damals 15 Minuten dauernde Versammlung verlief friedlich. Seit dem 22. April kam es immer wieder mittwochs zu solchen nicht angemeldeten Kundgebungen. Dabei hatten Demonstranten auch Polizeibeamte beleidigt und bedrängt. Ähnliche Proteste wie in Pirna hatte es auch in anderen sächsischen Städten, aber auch bundesweit gegeben.

Pirna hat gut 38 000 Einwohner und ist mit dem Sitz des Landratsamtes das Verwaltungszentrum des Kreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Wegen der Nähe zum Elbsandsteingebirge ist die Stadt an der Elbe auch als "Tor zur Sächsischen Schweiz" bekannt. Bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr wurde die AfD mit 19,6 Prozent stärkste Kraft vor den Freien Wählern (19,3) und der CDU (17,1).

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