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Demonstrationen - Kassel:Lübcke-Mord: 10 000 Gegendemonstranten empfangen 120 Rechte

Kassel (dpa/lhe) - Rund 10 000 Menschen haben am Samstag in Kassel gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen demonstriert. Die Kundgebung der Rechten fiel wesentlich kleiner aus. Nur rund 120 versammelten sich auf einem Platz außerhalb der Innenstadt, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Sie protestierten gegen eine angebliche mediale Vorverurteilung im Zusammenhang mit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Polizei hatte die Lage im Griff, nur an wenigen Stellen kamen sich Demonstranten und Rechte gefährlich nahe.

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Kassel (dpa/lhe) - Rund 10 000 Menschen haben am Samstag in Kassel gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen demonstriert. Die Kundgebung der Rechten fiel wesentlich kleiner aus. Nur rund 120 versammelten sich auf einem Platz außerhalb der Innenstadt, wie die Polizei am Samstag mitteilte. Sie protestierten gegen eine angebliche mediale Vorverurteilung im Zusammenhang mit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Die Polizei hatte die Lage im Griff, nur an wenigen Stellen kamen sich Demonstranten und Rechte gefährlich nahe.

Seit den Morgenstunden war die nordhessische Stadt in einer Art Ausnahmezustand: Busse und Bahnen hatten in der Innenstadt den Betrieb eingestellt. Die Polizei kontrollierte an Bahnhöfen, Teile der Stadt waren gesperrt. Das Stadtbild beherrschten die Gegendemonstranten, ein Bündnis gegen Rechts hatte zu zahlreichen Veranstaltungen aufgerufen und zog bereits vor der Ankunft der Rechten mit 3000 Menschen durch Kassel.

Sie trugen T-Shirts und Schilder mit Sprüchen wie "Menschenrechte statt rechte Menschen" oder "Nazis nerven mehr als Wespen". Einige hielten sich auch Porträtfotos des erschossenen Lübcke vor das Gesicht. Gegen Mittag wuchs die Zahl der Teilnehmer nach Polizeiangaben auf 10 000.

Den Ort der rechten Demo auf der anderen Seite der Fulda hatte die Polizei komplett abgesperrt. Mit knapp zweistündiger Verspätung begann dort die Versammlung der Rechtsextremen, die gegen eine angebliche Instrumentalisierung des Mordes an Kassels Regierungspräsident demonstrierten. Der CDU-Politiker war am 2. Juni in seinem Haus im Landkreis Kassel erschossen worden. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Der 45-jährige Stephan E. hatte die Tat gestanden und dann sein Geständnis widerrufen.

"Wir rechnen mit einer neuen Repressionswelle, nach dem der Tod von Herr Dr. Lübcke von Politik und Medien in einer - ich möchte sagen - schamlosen Art und Weise instrumentalisiert wird", sagte der Anmelder der Demo, Christian Worch vom Bundesvorstand von "Die Rechte". Die Rechtsextremen zogen durch mehrere Straßen. An zwei Stellen kamen sie und die Gegendemonstranten sich bis auf wenige Meter nahe. Flaschen flogen, es kam zum Gerangel mit Einsatzkräften. Ab Abend teilte die Polizei mit: "Nach derzeitigen Erkenntnissen ist niemand ernsthaft verletzt worden."

Die Sicherheitskräfte meldeten, dass 31 Personen fest- oder in Gewahrsam genommen worden seien. Davon seien 15 Teilnehmer zu weiteren Ermittlungen ins Polizeipräsidium gebracht worden, der Rest konnte gehen, nachdem ihre Personalien festgestellt worden waren. Unter anderem gab es Verstöße gegen das Vermummungsverbot und Waffengesetz, einmal wurden verfassungswidrige Symbole gezeigt. Verletzte habe es nicht gegeben.

Das Bündnis gegen Rechts als Veranstalter der Gegendemonstrationen zeigte sich zufrieden. "Das ist ein tolles Signal, das die Stadtgesellschaft sendet", sagte Sprecher Torsten Felstehausen. Was ihn allerdings erschüttere, sei der Umfang des Polizeieinsatzes: "Es wird eine ganze Stadt in Geiselhaft genommen." Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) teilte am Abend mit: "Ausgrenzung, Gewalt, Hass, Hetze und Terror haben in Kassel keinen Platz." In Kassel lebten Menschen aus fast 160 Nationen gerne und gut zusammen. "Es ist auch das Vermächtnis von Regierungspräsident Dr. Lübcke, dass man gegen Aufmärsche rechtsextremer Gruppen klare Kante zeigt", so der Oberbürgermeister.

Auch überregional standen die Ereignisse in Kassel im Fokus: Bundesjustizministerin (SPD) Christine Lambrecht kritisierte den rechten Aufmarsch: "Es ist widerlich und scheinheilig, wenn ausgerechnet die, die den Hass schüren, nun wenige Wochen nach diesem unfassbaren Verbrechen durch Kassel marschieren." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte anlässlich des 75. Jahrestages des Attentats auf Adolf Hitler: "Der politisch motivierte Mord an Walter Lübcke zeigt, wie wichtig Zivilcourage und der Kampf gegen Hass und Hetze heute nach wie vor sind."

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