Demonstrationen in Russland:Gegen Puppen sind sie machtlos

Auf oppositionellen Demos in Russland ist es gefährlich: Allzu leicht wird man dort unter einem Vorwand verhaftet. Eine Aktivistin aus Sibirien hat nun einen Weg gefunden, die Polizei zu narren: Sie stellt kleine Puppen mit winzigen Protestplakaten in den Schnee. Die Aktion wird im Internet gefeiert - und breitet sich im ganzen Land aus.

Hannah Beitzer

In Russland auf Demos zu gehen, kann ziemlich unangenehm werden - nicht ausgeschlossen, dass man mal eine Nacht im Gefängnis verbringt. Das gilt vor allem für diejenigen Aktivisten, die die Protestaktionen gegen den russischen Premierminister und Präsidentschaftskandidaten Wladimir Putin organisieren und so in den vergangenen Monaten zu den Gesichtern der Oppositionsbewegung wurden.

Demonstrationen in Russland: Wir protestieren! Eine kleine Puppen-Macht ließen sibirische Aktivisten gegen Putin aufmarschieren.

Wir protestieren! Eine kleine Puppen-Macht ließen sibirische Aktivisten gegen Putin aufmarschieren.

(Foto: Livejournal.com/Vkontakte)

Allzu häufig werden Demonstrationen aber erst gar nicht genehmigt - so kann die Polizei jeden festnehmen, der mit Gleichgesinnten gegen Putin demonstriert. Vor diesem Problem stand auch die Aktivistin Ljudmila Alexandrowa aus dem sibirischen Barnaul: Sie wollte mit ihren Freunden Mitte Januar eine Demo organisieren - und bekam keine Genehmigung.

Aber klein beigeben? Für die 26-Jährige undenkbar. Stattdessen hat sie für sich und ihre Mitstreiter ein paar ungewöhnliche Stellvertreter besorgt: Puppen, kleine Roboter, Playmobilfiguren und Aufziehspielzeug "versammelten" sich da plötzlich im sibirischen Schnee und trugen Plakate mit den Parolen der Opposition: "Wir wollen saubere Wahlen" oder "Wir wollen die Wahrheit".

"Unser Ziel war, eine Alternative zu nicht genehmigten Meetings zu schaffen", erzählte Alexandrowa dem oppositionellen Sender Radio Swoboda. Was soll der Staat gegen protestierende Puppen schon unternehmen?

Die Rechnung ging auf, die Polizei war ratlos: Sie konnte die Organisatoren nicht verhaften - sie hatten schließlich nichts Verbotenes getan. Spielzeug in den Schnee stellen verstößt auch in Russland nicht gegen das Gesetz. Letztendlich bekamen die Aktivisten lediglich eine Geldstrafe aufgebrummt.

Doch die Aktion verbreitete sich rasch im ganzen Land, in Omsk, Irkutsk und Sankt Petersburg tauchten auf einmal demonstierende Puppen auf, berichtet die russische Version der BBC. Auf der Blog-Plattform Livejournal.com, auf dem viele russische Oppositionelle bloggen, tauschen die Aktivisten herzzerreißend niedliche Fotos von aufmüpfigem Spielzeug.

Der Protest in Russland wird unaufhörlich kreativer, es muss eben nicht immer eine Demo sein: Erst vergangene Woche legten Oppositionelle in Moskau mit einem Autokorso den Verkehr in der Millionenmetropole lahm. Im Netz überbieten sie sich mit Anti-Putin-Sprüchen, es gibt Zeichentrickfilme und Lieder, die den Premierminister auf die Schippe nehmen, der bald wohl dennoch schon wieder Präsident sein wird.

Auch Ljudmila Alexandrowa will sich nicht entmutigen lassen. Vergangene Woche statteten zwar zwei dubiose Herren ihrem Chef einen Besuch ab, erzählte sie russischen Medien. Der riet seiner Mitarbeiterin kurz darauf, den (genehmigten) Großprotesten, die die Opposition im ganzen Land am Samstag durchführt, besser fernzubleiben. Die Aktivistin will dennoch dabei sein - diesmal ganz ohne Stellvertreter.

(Zur russischen Textversion des Radio-Swoboda-Interviews mit Ljudmila Alexandrowa geht es hier)

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