Demonstrationen in Hamburg und Bremen:Keine Chance für Rechtsradikale

A left-wing protestor wearing a shirt reading: ' Against Nazis ' takes part in a  demonstration against a Nazi demonstration, which was forbidden by authorities, in Hamburg

Linke Gegendemonstranten protestieren in Hamburg gegen eine verbotene Kundgebung von Rechtsextremisten.

(Foto: REUTERS)

Mit einem Großaufgebot verhindert die Polizei, dass Neonazis ihren verbotenen "Tag der Patrioten" von Hamburg nach Bremen verlegen. In beiden Städten zeigen Tausende Menschen, dass Fremdenfeinde nicht willkommen sind.

Von Thomas Hahn, Bremen/Hamburg

Als es hieß, dass die Nazis kommen würden, hatte sie erst ein bisschen Angst, das gibt Elke Lohmann zu. Sie steht am Infostand des Bremer Solidaritätskomitees für Kurdistan am Bremer Marktplatz. Es ist Samstagnachmittag, die Kundgebung ihres Bündnisses ist gerade zu Ende gegangen, die Kurden-Anhänger zerstreuen sich allmählich wieder. Und Elke Lohmann ist froh, dass sie und die anderen sich nicht haben abbringen lassen von ihrer Kundgebung, nachdem die Nachricht raus war, dass die Nazis ihren "Tag der Patrioten" kurzerhand von Hamburg nach Bremen verlegt hatten.

Einige Rechtsextreme waren dann zwar tatsächlich da, als die Bündnis-Mitarbeiter gegen halb zwölf den Marktplatz erreichten. "Aber die Polizei hat die dann eingesammelt", sagt Elke Lohmann. Das Komitee konnte friedlich seine Demonstration mit Musik und Reden durchziehen. Elke Lohmann lächelt. "Es war die richtige Entscheidung, die Kundgebung nicht abgesagt zu haben."

Es ist ziemlich viel demonstriert worden an diesem Samstag in Bremen und Hamburg, und zwar in erster Linie für die gute Sache: gegen Faschismus und Fremdenhass durch Bündnisse aus verschiedenen Sparten der Zivilgesellschaft. Auf der Kundgebung von "Hamburg bekennt Farbe" am Rathausplatz sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz vor 7500 Menschen: "Wir wollen denen entgegentreten, die mit Ressentiments und schlechter Gesinnung versuchen, diesen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens in Frage zu stellen."

Allerdings ist auch wieder klar geworden, dass ein mächtiger Polizeieinsatz nötig ist, damit nicht Gewalt und rechtsradikale Parolen einen solchen Tag des guten Willens kaputt machen. Ihren "Tag der Patrioten" in Hamburg konnten die Rechtsradikalen durch keine Rechtsinstanz bringen, weil die Gefahr von Ausschreitungen zu groß war. Auch ihr Ausweichmanöver nach Bremen scheiterte, weil die Bremer Polizei die Nazi-Demonstration ihrerseits verbot. Und weil die Beamten dieses Verbot dann auch konsequent umsetzten, blieb es weitgehend ruhig. Selbstverständlich war das nicht.

Neonazis wollen Kundgebung nach Bremen verlagnern

Gegen zehn Uhr begann die erste Demonstration in Hamburg, am Hachmannplatz vor dem Hauptbahnhof, zu der sich nach Polizeiangaben 14000 Menschen einfanden. Das "Bündnis gegen Rechts" hatte zu einem Protestmarsch durch die Innenstadt aufgerufen, und zwar mit der ausdrücklichen Absicht, genau dort ein Zeichen gegen Faschismus und Fremdenhass zu setzen, wo die Neonazis aufmarschieren wollten.

Aber bald kam die Durchsage, dass die Neonazis nach Bremen ausweichen würden - mit dem Hinweis, dass der nächste Zug nach Bremen um 10.46 Uhr gehe. Prompt bewegten sich Hunderte von Anti-Faschisten ins Bahnhofsgebäude Richtung Gleis 14, wo der IC nach Stuttgart mit Halt in Bremen wartete. "Auf nach Bremen!", rief einer aus der Menge. Schnell war der Zug hoffnungslos überfüllt. Ein Teil der Demonstranten drängte zurück und auf Gleis 13 zum Regionalzug, der um 11.15 Uhr nach Bremen fahren sollte.

Auf Gleis 13 wurde es ernst. Weiter vorne am Bahnsteig waren scheinbar Antifaschisten auf Nazis getroffen oder zumindest glaubten die Antifaschisten auf Nazis zu treffen. Jedenfalls lag plötzlich eine bedrohliche Energie in der Luft. Vermummte Demonstranten rannten über den Bahnsteig, warfen Gegenstände und Böller, sie skandierten: "Antifaschista!" Ein Mann krümmte sich am Boden unter Schlägen und Tritten. Roter Qualm von einer Rauchbombe stieg auf.

Unbeteiligte Fahrgäste, die einfach nur zum Zugfahren gekommen waren, zogen sich verängstigt in die Mitte des Bahnsteigs zurück. Sofort waren Polizisten mit Helmen und kugelsicheren Westen da und beruhigten die Situation. Es waren nur wenige Augenblicke der Gewalt, aber sie reichten schon, um zu zeigen, wie leicht die Stimmung kippen konnte an diesem norddeutschen Tag der Kundgebungen.

Ziel der Polizei: Nazis und Demonstranten voneinander trennen

Es kam zu Verspätungen wegen des Einsatzes, aber bald verließ der Regionalzug nach Bremen Hamburg. Er war nicht überfüllt. "Bitte beachten Sie unser Alkoholkonsum-Verbot", sagte der Schaffner mit freundlicher, fast beschwingter Stimme durch. Es begann eine kleine Geduldsprobe für die Fahrgäste. Am Bahnhof von Buchholz marschierten Bundespolizisten auf, die Fahrt verzögerte sich. Als der Zug endlich doch weiterfuhr, klatschte jemand Beifall. Ein vernehmliches Aufatmen ging durch die Reihen. Und eine Dame erfuhr am Telefon, dass in Bremen der Marktplatz abgesperrt sei und Wasserwerfer aufgefahren seien.

Ein mächtiges Polizeiaufgebot erwartete die Ankömmlinge am Bremer Hauptbahnhof. Die Bremer hatten Verstärkung von Einsatzkräften aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei bekommen. Beamte leiteten linke Demonstranten zum Rasen neben dem Bahnhof, der von Polizeibussen umstellt war und für sie als offizielle Versammlungsfläche ausgewiesen war. Gleichzeitig sammelte die Polizei Rechtradikale ein, die nach Bremen gekommen waren und damit gegen das Betretungsverbot verstießen.

Rechte und linke Demonstranten am Hauptbahnhof Bremen

Nach einer kurzen Schlägerei mit linken Gegendemonstranten wird ein Neonazi von zwei Polizeibeamten im Bremer Hauptbahnhof kurzzeitig festgenommen und abgeführt.

(Foto: dpa)

Die Polizei-Taktik war klar: Sie wollte Rechtsextremen und Linken keine Gelegenheit bieten, aufeinanderzutreffen. "Das ist auch gelungen", sagte Polizeisprecher Ingo Biniok am Nachmittag. Etwa 100 Rechtradikale seien in der Innenstadt aufgegriffen und zur Nordseite des Bahnhofs gebracht worden. Von dort aus begleiteten die Polizisten sie zu den Zügen, mit denen sie Bremen verlassen sollten. Alles lief ruhig und sachlich ab am Bahnhof. Am Abend sagte Bremens Polizei-Vizepräsident Dirk Fasse: "Ich freue mich, dass dieser in Teilen doch prekäre Einsatz in enger Zusammenarbeit mit der Polizei Hamburg und der Bundespolizei so erfolgreich abgewickelt und die Gruppen konsequent getrennt gehalten werden konnten."

Am Ende wird in Bremen "Schrei nach Liebe" gesungen

Bahnreisende mussten einige Zumutungen hinnehmen. Der Hamburger Hauptbahnhof war wegen Ausschreitungen zeitweise gesperrt. Die Bundespolizei meldete, sie habe nach Auseinandersetzungen 34 Neonazis in Gewahrsam genommen. Linksradikale hätten Züge mit Steinen beworfen.

Der Bremer Polizei-Sprecher Biniok sagte, ein Zug mit 400 Mitgliedern des linken Spektrums sei am Bahnhof Buchholz "von der Bundespolizei gestoppt und zurückgeführt" worden. Die Polizeipräsenz am Bremer Bahnhof wirkte etwas beklemmend auf die Normalbürger. Und am Nachmittag meldete die Hamburger Polizei Auseinandersetzungen mit 300 bis 500 linken Protestlern, die auch am Abend noch anhielten. "Ende nicht abzusehen", sagte eine Sprecherin.

Und in Bremen? Kamen am späten Nachmittag Tausende von Menschen zusammen, um das Anti-Nazi-Lied der Ärzte "Schrei nach Liebe zu singen. Es blieb der Eindruck zurück, dass die Rechtsradikalen keine Chance hatten an diesem bewegten Tag in Hamburg und Bremen.

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