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Demonstrationen - Hanau:Konsequenzen aus Anschlag: Tausende zu Demo erwartet

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Hanau (dpa/lhe) - Angehörige der Opfer des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau haben zur Demonstration an diesem Samstag (22. August) Konsequenzen aus der Tat gefordert. Nötig seien strengere Waffenkontrollen und ein entschiedener Kampf gegen rassistische Tendenzen an Schulen, sagte Serpil Unvar, die Mutter eines der Getöteten, am Freitag in Hanau. "Unsere Kinder dürfen nicht umsonst gestorben sein. Ihr Tod muss der Anfang sein von etwas Neuem", sagte Unvar. "Wir wollen auch im Kopf, auch im Herzen gleiche Rechte haben."

Zu der Demonstration hatte die "Initiative 19. Februar" unter dem Motto "Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen" aufgerufen. Dazu werden rund 3000 Teilnehmer erwartet, die Polizei schließt aber auch nicht aus, dass es bis zu 5000 werden könnten. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) rief am Freitag zur Einhaltung der Maskenpflicht bei der Demonstration auf.

Am 19. Februar hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und sich selbst tötete. Zuvor hatte der Mann Pamphlete mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

Angehörige und Vertreter der Initiative fordern deshalb eine lückenlose Aufklärung und werfen den Behörden unter anderem vor, "Warnsignale" nicht ernst genommen zu haben. Kritik äußern sie auch an der Arbeit der Polizei nach der Tat.

So hätten die Familien teils viele Stunden warten müssen, bis ihnen der Tod ihrer Kinder mitgeteilt worden sei, sagte Newroz Duman, Mitbegründerin der Initiative. Davon berichtete auch Niculescu Păun, Vater von Vili Viorel Păun, der versucht haben soll, den Täter zu stoppen und in seinem Auto erschossen worden war. Diese Heldentat seines Sohnes sollte anerkannt werden, sagte der Vater.

Duman forderte auch mehr Unterstützung des Landes Hessen und der Bundesregierung. Von dem von Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) angekündigten Förderprogramm hätten die Angehörigen aus der Presse erfahren, sagte Duman. Bisher verstehe man die Ankündigung so, dass das Geld in bestehende Beratungsstrukturen fließen solle, was auch grundsätzlich gut sei, weil Beratungsstellen gebraucht würden. Wichtiger seien aber konkrete und unmittelbarere Hilfen für die Angehörigen. So müssten mehrere Familien noch immer in unmittelbarer Nähe zu einem der Tatorte in Hanau-Kesselstadt und zum Wohnhaus des Täters leben, weil ihnen noch keine anderen Wohnungen zur Verfügung gestellt worden seien.

Das von Beuth angekündigte Sonderförderprogramm umfasst rund 600 000 Euro aus Landesmitteln. Das Geld wird bis 2022 für die Arbeit mit Betroffenen des Anschlags zur Verfügung gestellt und könne sofort beantragt werden, hatte das Ministerium angekündigt. In diesem Jahr sollen demnach bis zu drei Projekten mit jeweils bis zu 50 000 Euro gefördert werden. Die Auswahl der Projekte soll zeitnah durch eine Jury erfolgen, an der auch die Stadt Hanau beteiligt ist.

Zu der Demonstration werden neben den Familien der Hanauer Opfer auch Angehörige und Überlebende anderer rassistischer Gewalttaten erwartet, so etwa eine angehende Rabbinerin aus Halle und die Frau des Mannes, der im Juli 2019 von einem 55-jährigen Deutschen in Wächtersbach niedergeschossen worden war. Außerdem wollen der Präsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, und Oberbürgermeister Kaminsky sprechen. Hanau sei nicht der erste solche Anschlag gewesen, "aber wir wollen, dass es der letzte war", sagte Duman.

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