Demonstrationen - Berlin:Polizei weist Vorwürfe von UN-Berichterstatter zurück

Berlin
Die Polizei steht auf einer Demo gegen die Corona-Maßnahmen trotz Demonstrationsverbot in Berlin. Foto: Fabian Sommer/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Die Berliner Polizei hat Kritik eines Experten der Vereinten Nationen (UN) an ihrem auch gewaltsamen Vorgehen bei unerlaubten Versammlungen gegen die Corona-Politik vor einer Woche zurückgewiesen. "Unmittelbarer Zwang ist Gewalt, Gewalt schmerzt, Gewalt verletzt, Gewalt sieht gewalttätig aus", erklärte Polizeisprecher Thilo Cablitz auf dpa-Anfrage. "Unmittelbarer Zwang auch mit all seinen Bildern ist dennoch Teil unseres Rechtssystems."

Zwangsmaßnahmen seien erst wegen fehlender Kommunikationsbereitschaft der Protestierenden, fortwährender Verstöße gegen Versammlungsverbote und die Infektionsschutzverordnung, der Missachtung polizeilicher Weisungen und Angriffen auf Einsatzkräfte erforderlich gewesen. Die Berliner Polizei setze bei solchen Einsätzen immer zuerst auf Kommunikation mit Demonstranten, etwa durch Lautsprecherdurchsagen, direkte Ansprache oder Social-Media-Kanäle. "Sie steht jedoch in Abhängigkeit der Dialogbereitschaft der anderen Kommunikationsparteien." Am vergangenen Sonntag habe das aufgrund des Aggressions- und Gewaltpotenzials von Demonstranten nicht gefruchtet.

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Nils Melzer, untersucht Vorwürfe übermäßiger Gewalt der Polizei gegen Demonstranten und will die Bundesregierung um Stellungnahme bitten. Am Donnerstag sagte er der dpa, womöglich seien Menschenrechtsverletzungen begangen worden. Bei einer Demonstration mit Tausenden Menschen, die angeordnete Maßnahmen ignorierten aber nicht gewalttätig seien, müsse anders reagiert werden. "Das ist ein Kommunikations-, kein Gewaltproblem. Da ist eine gepanzerte Polizeitruppe vielleicht nicht die richtige Antwort."

In der schriftlichen Erklärung von Polizeisprecher Cablitz heißt es weiter: "Im Zusammenhang mit vorangegangenen Versammlungen der in Rede stehenden Protestbewegung mussten wir wiederkehrend massive Angriffe auf Einsatzkräfte verzeichnen. Die vom UN-Sonderberichterstatter als Panzerung deklarierte Schutzausstattung der Einsatzkräfte diente lediglich dazu, sie vor schweren Folgen der gegen sie verübten Angriffe zu bewahren." Dennoch seien mehr als 60 Polizistinnen und Polizisten verletzt worden - in Teilen schwer.

Nach den Worten von Cablitz steht die Polizei der UN-Untersuchung "aufgeschlossen" gegenüber und begrüßt, dass der Sonderberichterstatter vor einer abschließenden Bewertung sämtliche beteiligte Parteien hören wolle. "Zielführend scheint es auch, das der Polizei Berlin vorliegende Beweismaterial einzusehen. Das vollständige Videomaterial, die schriftlichen Dokumentationen, Zeugenaussagen, die weiteren Erkenntnissen und Informationen scheinen aus hiesiger Sicht hilfreich, um ein belastbares Gesamtbild zu zeichnen, auf dessen Grundlage eine Beurteilung vorgenommen werden kann."

Unabhängig davon habe das Landeskriminalamt Ermittlungen aufgenommen "zu sämtlichen vorliegenden Verdachtsmomenten zu Körperverletzungen im Amt". Derzeit würden unter anderem bisher gesicherte Videosequenzen gesichtet und bewertet.

Trotz eines Verbots großer Demonstrationen, darunter solchen sogenannter "Querdenker", waren am 1. August mehrere Tausend Menschen durch die Hauptstadt gezogen. Sie versammelten sich immer wieder in Gruppen in verschiedenen Stadtteilen, mehrfach kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizeikräften. Die Polizei sprach von einer hohen Gewaltbereitschaft mancher Demonstranten und leitete mehr als 500 Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmer der Proteste ein.

© dpa-infocom, dpa:210808-99-767169/4

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