Demonstrationen - Berlin:Gesundheitssenatorin kritisiert Bootsdemo scharf

Berlin
Dilek Kalayci (SPD), Berliner Gesundheitssenatorin, spricht im Berliner Abgeordnetenhaus. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci hat die Bootsdemonstration am Pfingstsonntag mit scharfen Worten kritisiert: "Ich bin entsetzt über die Bilder vom Wochenende in Berlin. Party und Pandemie passt überhaupt nicht", teilte die SPD-Politikerin am Dienstag mit.

"Ich habe Verständnis für die schwierige wirtschaftliche Lage der Clubs. Dafür gibt es finanzielle Hilfen. Aber das, was am Wochenende auf dem Landwehrkanal passierte, ist in Pandemiezeiten grob fahrlässig", sagte Kalayci. "Ich habe es am Anfang der Pandemie gesagt und sage es heute, es ist nicht die Zeit für Partys. Das Virus ist nach wie vor da und eine Gefahr für die Gesundheit aller Menschen", so die Gesundheitssenatorin.

Sie appelliere deshalb an die Vernunft der Club- und Partyfreunde. Die Partyszene und die Clubs seien in Berlin die Hotspots zu Beginn der Ausbreitung des Coronavirus gewesen. "Es war richtig und wichtig diese frühzeitig zu schließen, um die schnelle und unkontrollierte Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern. Das ist uns in Berlin gelungen."

Ein Sprecher der Innenverwaltung sagte, die Lockerungen, auf die alle lange gewartet hätten, sollten nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. "Bei allem Verständnis, dass es bei dem schönen Wetter die Berlinerinnen und Berliner nach draußen zieht, appellieren wir dennoch daran, das Bewusstsein für die aktuelle Situation nicht zu verlieren und das notwendige Abstandsgebot nach wie vor zu beachten", so der Sprecher. "Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat, damit wir nicht wieder in eine Situation wie vor einigen Wochen geraten."

Am Pfingstsonntag waren bei der Versammlung "Für die Kultur - Alle in einem Boot" bis zu 400 Boote von der Spree über den Landwehrkanal nach Kreuzberg gezogen. Die Veranstalter wollten nach eigenen Angaben auf die Bedrohung der Clubkultur aufmerksam machen, nachdem die Clubs seit Wochen nicht mehr öffnen dürfen. Laut der Polizei hielten sich dabei bis zu 1500 Menschen jeweils auf dem Wasser und an Land auf.

Im Polizeibericht hieß es, der Veranstalter habe die Versammlung "aufgrund der nicht eingehaltenen Abstände zueinander und von Beschwerden über zu laute Musik" abgebrochen. Ein Verfahren wurde nicht eingeleitet, wie ein Polizeisprecher am Dienstag sagte.

Die Veranstalter hätten "zweifellos gute Intentionen" gehabt, hieß es im Statement der Clubcommission. "Boote mit Beschallung und Redebeiträgen auf dem Wasser - und das lange Spreeufer sollte dazu dienen, dass die Teilnehmer*Innen ausreichend Abstand halten können." Leider sei der Plan nicht aufgegangen, und es seien deutlich mehr Menschen gewesen als erwartet.

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ): "Bei dem Chaos an regional unterschiedlichen Bestimmungen muss sich niemand wundern, wenn bei manchen Menschen der Eindruck entsteht, nun brauche man gar keine Regeln mehr einzuhalten." Dass die Lockerungen nach dem Corona-Lockdown von Land zu Land unterschiedlich erfolgten, überfordere die Bürger.

"Selbst diejenigen, die Verantwortung zeigen wollen, verstehen nicht mehr, warum sie etwas nicht dürfen, was andernorts schon wieder zugelassen worden ist", sagte Montgomery. Er forderte einen Wechsel in der Pandemiebekämpfung: "Wir müssen zurück zu einem bundesweit einheitlichen Lockerungskonzept, um das wieder einzufangen und zu stoppen."

Florian Kluckert, gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner FDP-Fraktion, sagte, die Veranstaltung zeige, dass die Politik wohl kaum verantworten könne, Clubs wieder zu öffnen, solange die Besucher zu Eigenverantwortung weder bereit noch in der Lage seien. "An der Party zeigt sich aber auch deutlich die Schwäche des Senates, der Verordnungen erlässt, an die sich viele dann nicht halten und auch keine Konsequenzen zu befürchten haben."

Seit Dienstag gelten weitere Lockerungen bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. So dürfen beispielsweise Kneipen und Bars wieder öffnen, genau wie Spielhallen, Spielbanken, Wettbüros, Fitnessstudios und Tanzschulen. "Ich appelliere an alle Berlinerinnen und Berliner: Riskieren wir nicht die erreichte Eindämmung des Virus", sagte Kalayci. "Riskieren wir nicht aufs Gefährlichste unsere Gesundheit und letztlich unsere Freiheiten, halten wir uns alle an Abstands- und Hygieneregeln und tragen Mund-Nasen-Schutz."

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