Wenn man jetzt nicht wüsste, was dahintersteckt, dann könnte man auch denken, dass am Sonntag in Köln für das freie Recht auf Dosenbier demonstriert wird. Auf dem Bahnhof Köln-Deutz stehen schon am frühen Morgen die ersten Männer, meist kurzhaarig und mit Kapuzenpulli, und halten entweder noch ein Bier in der Hand - oder diskutieren schon mit Polizisten, die ihnen die Dosen abnehmen wollen, was zu Rangeleien führt.
Vor fast genau einem Jahr hatte ein ziemlich betrunkener Mob aus 5000 "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa) die Kölner Polizei ziemlich kalt erwischt und war direkt neben dem Hauptbahnhof außer Kontrolle geraten. Diesmal hat sich die Polizei besser vorbereitet, es gibt ein Alkoholverbot für die rechtsradikalen Demonstranten, es sind fast 4000 Polizisten im Einsatz, mit Pferden, Hubschraubern und zwölf Wasserwerfern.
Die Gruppe der Rechten ist so klein, dass sich keine Ordner finden
Am Bahnhof Deutz werden die Hooligans durchsucht, weite Teile der Innenstadt sind abgesperrt. Im vergangenen Jahr durften die Hogesa-Leute noch durch die Stadt marschieren, diesmal wurde ihnen ein kleiner Platz vor dem Messegelände zugewiesen. Am Nachmittag haben sich dort etwa 500 bis 600 Rechte versammelt. "Wir haben hier eine harte kleine Gruppe, die geschätzt wird auf der Welt", ruft ein Redner zu Beginn. Klein ist die Gruppe zumindest, so klein, dass sich über Stunden keine Ordner finden, ohne die die Kundgebung nicht beginnen kann.
Die Teilnehmer wollen Köln vor dem Untergang des Abendlandes retten, behaupten sie. Köln will sich aber nicht retten lassen von diesen Leuten. Schon am Samstag hatten Tausende gegen die Rechten demonstriert, am Sonntag nun hat Köln alles mobilisiert, was es an politischem Protest zu bieten hat. Es gibt Demonstrationszüge und ein Kulturfest mit Bühnenprogramm. "Die Stadt gehört uns. Wir bestimmen, was hier passiert", sagt ein Redner auf der Gegenkundgebung.
Normalerweise hätte sich sicherlich auch das Stadtoberhaupt unter die Demonstranten gemischt, aber Kölns neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) liegt noch im Krankenhaus. Vor einer Woche wurde sie vom dem rechtsextremen Frank S. mit einem Messer schwer verletzt. "Wir Kölner Bürgerinnen und Bürger kuschen nicht vor gewaltbereiten Hooligans und Neonazis", sagt nun die Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes.
Hogesa existiert nur noch als Merchandise-Shop
Und die Kölner kuschen dann auch wirklich nicht: Während trotz des Attentates auf Henriette Reker am vergangenen Sonntag nur 40 Prozent der Kölner zur Wahl gegangen waren, sind nun mindestens 10 000 Menschen auf den Straßen unterwegs, um sich gegen Hogesa zu wehren.
Der Sonntag ist auch ein Test dafür, ob es den rechten Populisten und Gewalttätern noch gelingt, im Westen Deutschlands Fuß zu fassen. Außer der Hogesa-Kundgebung wird auch ein neuer Kögida-Versuch gestartet, das Pendant zur Dresdner Pegida. Beide Kundgebungen am selben Ort, mit fast identischem Personal. Ein verlorener Haufen, eingesperrt zwischen Zäunen und Polizisten. "U-Ah", grölen sie immer wieder. Ein Redner beklagt sich darüber, dass die Polizei einige Anhänger bei der Anreise behindert habe, ansonsten wären sicher mehr gekommen.
Ein Jahr nach erster Demo:So steht es um die Pegida-Bewegung
Seit einem Jahr gehen die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" montags auf die Straße. Wirklich jeden Montag? Hat sich die Bewegung radikalisiert? Und wie sieht es mit Verbindungen in die etablierte Politik aus?
Letztlich sind es diesmal nur ein Zehntel der Hooligans von vor einem Jahr. Die Hogesa-Bewegung hatte in den vergangenen Monaten fast nur noch als Merchandise-Shop existiert, der Kapuzenpullis mit rechter Symbolik verkauft. Und die Veranstaltung am Sonntag wirkte eher wie das Ende dieses Zusammenschlusses.
Diesmal gibt es kaum Zwischenfälle
Nach den Ausschreitungen im vergangenen Jahr hatte es 300 Strafanzeigen gegeben; 54 Straftäter wurden bisher verurteilt, sie hatten einen VW-Bus der Polizei umgestürzt, Flaschen geworfen, Beamte beleidigt oder den Hitlergruß gezeigt.
Diesmal blieb es bis zum Abend weitgehend ruhig, mit ein paar Ausnahmen. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer ein, um Linksautonome zurückzudrängen, die Beamte mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen hatten. Bei einer Schlägerei von Gegendemonstranten und Hooligans waren nach Angaben der Bundespolizei vor Beginn der Demonstration fünf Hooligans leicht verletzt worden. Zwei der Angreifer wurden festgenommen. Bei Steinwürfen auf ein Polizeiauto wurde ein Beamter zudem durch Glassplitter leicht verletzt, wie die Kölner Polizei mitteilte.
"Sonntag wird ein sehr schwerer Tag für Köln und die Polizei", hatte Polizeipräsident Wolfgang Albers am Samstag prophezeit. Trotz der einzelnen Vorfälle wurde es letztlich ein halbwegs guter Tag mit klaren Verhältnissen.