Zusammenstöße bei Hooligan-Demo in Köln:Mit Dosenbier gegen Salafisten und Polizisten

In Köln gehen 2500 Hooligans gegen Salafisten auf die Straße. Rechte Parolen sind zu hören, eine rechtsextreme Band steht auf der Bühne. Die Polizei setzt Wasserwerfer und Schlagstöcke ein.

Von Bernd Dörries, Köln

Einer träumt schon von einer "Bürgerbewegung", die das ganze Land in Aufruhr versetzen könne. "Es gibt 25 000 Hooligans, aber noch viel mehr Bürger sind gegen Salafismus", sagt der Redner auf der Bühne vor dem Kölner Hauptbahnhof. Mehr als 2500 Leute stehen vor ihm, die meisten mit kurzen Haaren und einer Bierdose in der Hand. Sie sind angetreten, die Werte des Abendlandes zu verteidigen. "Wir wollen keine Salafisten-Schweine", skandiert die Menge.

Ein Mann mit Gitarre spielt auf, poltert gegen die Salafisten und den Islamischen Staat im Irak und in Syrien. Hooligans als selbst ernannte Friedensengel, das hat es so noch nicht gegeben. Sie scheinen selbst überrascht zu sein und sind schon jetzt beleidigt, weil ihnen das niemand danken wird. "Wir werden morgen eine schlechte Presse bekommen", sagt der Redner auf der Bühne. Auch wenn hier doch alles ganz friedlich ablaufe.

Hooligans kippen einen Polizeibus um

Eine halbe Stunde später ist alles wieder beim Alten. Da geht es nicht mehr um Menschenrechte. Sondern einfach darum, Faxe-Bier aus Ein-Liter-Dosen zu trinken und der Polizei eins überzubraten. Sie kippen einen Polizeibus um, sie verfolgen vermeintlich linke Gegendemonstranten in Seitenstraßen, sie bewerfen die Polizei mit Flaschen. Die Polizisten reagieren mit Tränengas und Wasserwerfern, sie scheinen ein wenig überrascht zu sein von so vielen Hooligans und Neonazis, die sich in Köln versammelt haben. Auf der rechten Seite des Bahnhofs.

Die etwa tausend linken Gegendemonstranten stehen auf der guten Seite, der schöneren mit Domblick. Deren Prostest gegen die Hooligans beginnt mit einer Rechtfertigung. Weil die Bösen sich heute treffen, um ebenfalls gegen das Böse zu kämpfen, gegen die Terroristen des IS, gegen undemokratische Salafisten. Das sehen auch die linken Gegendemonstranten so. Die Frage ist nun: Muss man gegen Leute demonstrieren, die gegen den IS demonstrieren? Ist man dann womöglich irgendwie für die Terroristen?

Aktuelles Lexikon: Hooligan

Normalerweise schlägern sie untereinander. Die aus Rostock prügeln sich mit denen aus Hamburg-St. Pauli, die aus Dresden mit denen aus Berlin. Doch nun haben gewaltsuchende Fußballfans einen gemeinsamen Feind gefunden: In Köln sind sie als "Hooligans gegen Salafisten" auf die Straße gezogen. Als Drahtzieher des Aufmarschs gelten rechtsextreme Hooligan-Gruppen, die in der Szene der Prügelfans jedoch nur eine Minderheit sind. Als "rechtsmotiviert" bezeichnen die Polizeibehörden etwa 400 der 12 000 von ihr erfassten "Gewalttäter Sport". Zu diesen aber zählen durchaus unterschiedliche Gruppen: Für die Hardcore-Fans der sogenannten Ultras stehen wohlinszenierte Auftritte und Gesänge auf den Stadienrängen im Zentrum ihres Tuns, nicht Gewalt - zu der es dennoch immer wieder kommt, wenn etwa die Polizei gegen das Zündeln mit Feuerwerkskörpern einschreitet. Hooligans dagegen gibt erst Gewalt den Kick, sie verabreden sich an Spieltagen gerne jenseits der gesicherten Stadien zu ritualisierten Schlägereien. Das Phänomen stammt, wie der Begriff selbst, aus England. "Hooligan Boys" nannten sich Ende des 19. Jahrhunderts Londoner Straßenbanden, deren Taten Gerichtsakten als "Hooliganismus" verzeichneten, vermutlich nach Liedern, die irische Comedy-Stars damals in Theatern sangen: "Oh, die Hooligans!/ Immer in Aufruhr/ Kannst sie nicht ruhigstellen." Jan Bielicki

Die rechtsextreme Rockband "Kategorie C" steht auf der Bühne

"Wir stehen nicht hier, weil wir Sympathien für die Frauen- und Demokratiefeindlichkeit von Salafisten hätten", sagt Heidrun Abel von Verdi. Man sei hier, um gegen die "Rattenfänger" von der anderen Seite zu demonstrieren, die gegen alle Andersdenkenden und Ausländer seien.

Auf der anderen Seite stehen mitten unter den Hooligans auch Kurden mit ihrer Flagge, die sie fröhlich schwenken. Zumindest zu Beginn, vor den Krawallen. Es ist eine seltsame Gemengelage in Köln, weil Hooligans auf einmal so tun, als würden sie das Abendland verteidigen. "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) nennt sich die Gruppierung, die zu der Kundgebung aufgerufen hat.

Die meisten Hooligans sind bisher nicht durch politische Beiträge aufgefallen. Die Szene definierte Freund und Feind streng entlang der Anhängerschaft zu einem Fußballverein. Das hat sich mit dem Feindbild des Salafismus nun geändert. Nach Köln kamen Anhänger aus Dortmund und Schalke. Ein Leitspruch der HoGeSa ist: "Unsere Fahne, unser Land, maximaler Widerstand." Es stehen Mitglieder der rechtsextremen Rockband Kategorie C auf der Bühne, die schon mehrmals Auftrittsverbot erhielten. Es ist eine Art Unplugged-Konzert, "Hooligans gegen Salafisten, sonst wird Deutschland ein Massengrab", heißt es in einem Lied. Dazu wird viel Dosenbier getrunken.

Die Hooligans sagen selbst oft, sie würden Distanz zu rechten Parteien und Organisationen wahren. In Köln wurde die Demo am Sonntag ursprünglich aber von Dominik Roeseler angemeldet, einem Mitglied der rechtsextremen Partei Pro-NRW. Später hat er sich von der Veranstaltungsleitung zurückgezogen.

Am Sonntag sieht man aber auch viele Leute, die nicht sehr rechts aussehen, eher wie Autonome mit Palästinenser-Tüchern. Dazu Rocker und Kurden. Von einem klassischen Links-rechts-Schema könne nicht mehr die Rede sein, hatte die Polizei vorher gesagt. Eines war dann aber doch wie immer: Es hat sich keine neue Bewegung formiert in Köln, wie manche glaubten. Es waren rechte Hooligans, die Biersaufen und Prügeln als Werte sehen, die es zu verteidigen gilt.

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