Süddeutsche Zeitung

Demokratiefördergesetz:Wider die Extremisten

Die Bundesregierung will das demokratische Bewusstsein in Deutschland stärken - klar, per Gesetz.

Von Angelika Slavik, Berlin

Vor dem Hintergrund der sogenannten Reichsbürger-Verschwörung rücken potenzielle Gefahren für die Demokratie stärker in den Fokus des Berliner Politik-Betriebs. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) stellten am Mittwoch in Berlin ein neues "Demokratiefördergesetz" vor, das Kabinett hatte zuvor dem Entwurf zugestimmt. Das Gesetz soll die Finanzierung verschiedener Projekte verbessern, vor allem bei der Extremismusbekämpfung, bei politischer Bildung und der Förderung gesellschaftlicher Vielfalt. "Demokratie muss täglich gelebt und verteidigt werden", sagte Paus.

Viele Projekte gegen Extremismus stehen regelmäßig auf der Kippe, weil sie nach aktueller Gesetzeslage immer nur befristet, meist für ein Jahr, gefördert werden können. Die Jahr für Jahr unsichere Finanzierungssituation erschwere die Arbeit massiv, ist von vielen Organisationen zu hören. Mit dem neuen Gesetz soll nun strukturelle, dauerhafte Förderung möglich werden.

Konkret wird dazu ein gesetzlicher Auftrag für den Bund geschaffen, zivilgesellschaftliches Engagement und politische Bildung zu stärken. Der Gesetzesentwurf legt allerdings keinen finanziellen Rahmen dafür fest. Auch konkrete Förderrichtlinien, die definieren, nach welchen Kriterien die Mittel vergeben werden, müssen erst noch beschlossen werden. Dafür werde man eine konkrete Verordnung erarbeiten, wenn der gesetzliche Rahmen verabschiedet sei, hieß es. Als konkreten Vorteil der neuen Regelung nannte Paus, dass die Fördermaßnahmen anders als bisher nicht mehr auf Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beschränkt wären, sondern alle Altersgruppen angesprochen werden sollten.

"Wir müssen unsere Demokratie aktiv schützen."

Bundesinnenministerin Faeser sagte, gerade in der Pandemie hätten viele Menschen Zweifel an der Demokratie bekommen, weil sie erstmals konkrete Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit erlebt hätten - etwa wenn sie ihren Beruf nicht wie gewohnt hätten ausüben können. Diese Menschen müsse man wieder zurückgewinnen, auch darum gehe es in diesem Gesetz. Die Gesellschaft solle resilienter werden gegen Extremismus. "Wir müssen unsere Demokratie aktiv schützen", so Faeser. Der Staat habe Feinde. Der Einsatz der Sicherheitsbehörden gegen das Reichsbürger-Netzwerk habe das gezeigt - ebenso aber die Wehrhaftigkeit der deutschen Demokratie. "Diese Staatsfeinde wollten unseren Staat durch Waffengewalt ins Wanken bringen. Das wird niemandem gelingen." Die Verschwörungsideologie, der Besitz vieler Waffen und die Umsturzfantasien seien dennoch brandgefährlich, so Faeser. Man habe es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen.

Dass das Bekenntnis zur Demokratie offenbar in Teilen der Bevölkerung erodiert, erklärte die Bundesinnenministerin auch mit Fehlern der Vergangenheit. So sei politische Bildung an den Schulen vernachlässigt worden. "Man dachte, die Demokratie funktioniert sehr gut, wir leben sehr lange ohne Krieg, es gibt keine Bedrohung von außen" - vor diesem Hintergrund habe man sich womöglich "zu sicher gefühlt".

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