Bundestag:Warum die Unionsfraktion das "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" blockiert

Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigt sich erbost über den Widerstand in den eigenen Reihen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigt sich erbost über den Widerstand in den eigenen Reihen gegen das "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz".

(Foto: Hannibal Hanschke/Reuters)

Wer Fördermittel erhält, muss sich schriftlich zur Demokratie bekennen, fordern die Abgeordneten. Die SPD hält das für unnötig - und der Innenminister ist "maßlos enttäuscht".

Von Simon Groß, Berlin

Initiativen und Organisationen, die sich für demokratische Werte und gegen rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft einsetzen, sollten mehr Geld bekommen. Das war zumindest der Plan, auf den sich Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verständigt hatten. Doch vergangenen Mittwoch wurde deutlich, dass die Unionsfraktion nicht mitzieht. Seehofer zeigt sich erbost über den Widerstand in den eigenen Reihen und Giffey fordert die Unionsfraktion auf, ihre Blockade aufzugeben. Doch die denkt nicht daran.

Als Reaktion unter anderem auf die rechtsextremen Anschläge von Hanau und Halle hatte das Bundeskabinett im Dezember einen 89-Punkte-Plan gegen Rechtsextremismus und Rassismus vorgelegt. Teil dieses Plans ist das sogenannte "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz", das die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Extremismus durch den Bund ausbauen soll.

Die Förderung solle längerfristiger und bedarfsorientierter ausgestaltet werden, um mehr Planungssicherheit für die Zivilgesellschaft zu erreichen, sagte Giffey vergangene Woche. "Mit dem neuen Gesetz wollen wir sicherstellen, dass das Engagement für Demokratie und gegen Hass, Hetze, Gewalt und Extremismus verlässlich und nachhaltig finanziert werden kann", so Giffey.

Die Unionsfraktion hat "grundsätzliche Vorbehalte"

Die zwischen Familien- und Innenministerium abgesprochenen Eckpunkte für dieses Gesetz sollten eigentlich vergangenen Mittwoch im Kabinett beschlossen werden, doch das verhinderte die Unionsfraktion. In einem Brief an Giffey äußerten die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Thorsten Frei (CDU) und Nadine Schön (CDU) laut Deutscher Presse-Agentur "grundsätzliche Vorbehalte" gegenüber dem Vorschlag.

Einen dringenden Bedarf für ein solches Gesetz sieht die Unionsfraktion nicht. Entscheidend sei, dass der Bund genügend Geld zur Verfügung stelle, schreibt Frei auf Anfrage. Es würden bereits umfangreiche Maßnahmen in den Bereichen Demokratieförderung und Extremismusprävention im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben" gefördert.

Außerdem sei für die Fraktion entscheidend, dass Empfänger von Fördermitteln ein schriftliches Bekenntnis zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben, so Frei weiter. Einen solchen Passus in das Gesetz aufzunehmen, hatte auch der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Mathias Middelberg (CDU), in der Welt zur Grundbedingung einer Zustimmung gemacht. Bundesinnenminister Seehofer kritisierte diese Haltung scharf. Dem Spiegel sagte er, er sei "maßlos enttäuscht" von denjenigen, die "mit ihrem destruktiven Handeln die gute Arbeit der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode beschädigen". Der Kampf gegen Rechtsextremismus sei ein zentrales Anliegen der großen Koalition.

Giffey fordert Ende der Blockadehaltung

Eine solche "Extremismusklausel" halte das Familienministerium nicht für nötig, schreibt eine Pressesprecherin auf Anfrage. Dadurch würden Zuwendungsempfänger unter einen nicht gerechtfertigten Generalverdacht gestellt, potenziell in direkter oder indirekter Weise extremistische Aktivitäten zu unterstützen. Dabei handele es sich in überwiegender Zahl um anerkannte und bewährte Träger. Vergangene Woche hatte Giffey die Unionsfraktion aufgefordert, "ihre Blockadehaltung aufzugeben", und die Erwartung geäußert, dass die Eckpunkte in der nächsten Kabinettssitzung behandelt werden. Eine Förderung von Modellprojekt zu Modellprojekt, so wie es im Moment mit dem Bundesprogramm "Demokratie leben" erfolge, könne nicht die einzige Antwort auf eine dauerhafte Aufgabe sein, betonte sie.

Eine Absprache mit der Unionsfraktion habe es noch nicht gegeben, so Frei. Damit das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne, sei es entscheidend, dass man sich hinsichtlich des schriftlichen Bekenntnisses zur Demokratie verständige.

Streit gibt es auch noch an anderer Stelle: Seehofer und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatten sich Anfang März darauf geeinigt, eine Änderung des dritten Grundgesetzartikels anzustreben. Der Begriff "Rasse" sollte gestrichen und stattdessen die Diskriminierung "aus rassistischen Gründen" verboten werden. Doch auch diesen Vorschlag hält die Unionsfraktion für keine gute Idee. Sie regt stattdessen an, die Formulierung in "vermeintliche Rasse" zu ändern. Dadurch ließen sich rechtliche Unsicherheiten vermeiden, außerdem laufe die vorgeschlagene Formulierung Gefahr, den Diskriminierungsschutz des Grundgesetzes zu verkürzen, so Frei.

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