Democracy Lab:Das ist deine Meinung

Democracy Lab: Die zweite Phase des Democracy Lab startet in München.

Die zweite Phase des Democracy Lab startet in München.

(Foto: Ingrid Fuchs (M))

Gut streiten können die wenigsten. Wir wollen es lernen - bei einem Schlagabtausch der anderen Art. Machen Sie mit und bewerben Sie sich für ein Live-Experiment im Democracy Lab in München.

Von Dirk von Gehlen

Man muss Wolfgang Bosbach dankbar sein. Der Talkshow-erfahrene CDU-Politiker hat mit seinem theatralischen Abgang aus der letzten Maischberger-Sendung vor der Sommerpause (#bosbachleavingthings) ein wunderbares Bild geliefert für eines der zentralen Probleme in diesem Land: Deutschland kann nicht streiten!

Denn das verbindet die angeblich dunklen Ecken des Internets mit den hell ausgeleuchteten Fernsehstudios von ARD und ZDF: Man muss sehr lange suchen, um eine leidenschaftliche wie tolerante Streitkultur zu finden, die die Bezeichnung "demokratisch" verdient. In einer Demokratie wird Politik als Wettstreit der Ideen verstanden. Doch um Ideen geht es in den hellen wie dunklen Ecken nur selten. Stattdessen dominieren persönliche Animositäten, Hate Speech oder zumindest "Jetzt lassen Sie aber mal mich ausreden"-Inszenierungen, in denen es in erster Linie um Konfrontation geht und darum, dass jede und jeder die eigene Meinung bestätigt finden will. Das eigentliche Ziel eines demokratischen Austauschs fällt dabei häufig unter den Tisch: die gemeinsame Suche nach Ideen und Lösungsansätzen.

Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert - im Netz wie auf dem Bildschirm. Es sollte zur demokratischen Grundbildung zählen, auf tolerante Art streiten zu lernen. Dazu laden wir Sie ein: Probieren Sie es mit uns aus!

Besser mitreden - im Democracy Lab der SZ

Was muss sich in Deutschland ändern? Darüber wollen wir im Wahljahr mit Ihnen diskutieren - machen Sie mit beim Democracy Lab. Mehr zum SZ-Projekt finden Sie hier.

Könnte der andere womöglich recht haben?

Im Rahmen des Democracy Labs wollen wir ein neues Diskussionsformat testen, das den Titel "Das ist deine Meinung" trägt und auf drei einfachen Regeln basiert, die nicht nur die öffentlichen-rechtlichen Talkshows erträglicher machen würden, sondern auch im privaten Austausch helfen können. Die Diskutanten einigen sich vorab darauf:

1. Wir trennen Menschen und Meinungen. Denn wenn es um einen Wettstreit der Ideen geht, hilft es nicht weiter, wenn man eine Person als unerträglich oder irre sympathisch wahrnimmt. Es sollte um die Argumente gehen, man muss versuchen, diese von den Personen und deren vermeintlichen Eigenschaften zu lösen.

2. Wir lassen den Verdacht zu, dass der andere recht haben könnte. So hat der Schriftsteller Kurt Tucholsky mal Toleranz beschrieben - wir glauben, dass sich in dieser Grundhaltung eine zentrale Voraussetzung für einen gelungenen Streit manifestiert.

3. Wir streiten mit einem klaren Ziel. Damit ein Streit glückt, müssen sich alle Diskutanten auf eine Zielfrage einigen. Mit ihren Diskussionsbeiträgen versuchen dann alle Beteiligten, Antworten darauf zu finden. Allein diese banale Grundausrichtung sorgt für Struktur und Konzentration aufs Thema.

Um alle drei Regeln zur Geltung kommen zu lassen, greift "Das ist deine Meinung" zusätzlich auf ein Format zurück, das der US-Ökonom Bryan Caplan mal als ideologischen Turing-Test beschrieben hat. Damit spielt er auf den nach dem Computerwissenschaftler Alan Turing benannten Test an, bei dem ein Computer menschliche Kommunikation nachzuahmen versucht. Der Test gilt als bestanden, wenn es dem Computer gelingt, menschliches Kommunikationsverhalten glaubhaft zu imitieren.

Um an einer Diskussion bei "Das ist deine Meinung" teilnehmen zu können, müssen die Teilnehmer eine vergleichbare Imitation versuchen. Beim ideologischen Turing-Test müssen sie beweisen, dass es ihnen gelingt, die Argumente der Gegenseite so zusammenzufassen, dass diese zustimmt. Im Beispiel der Maischberger-Sendung hätte Wolfgang Bosbach sich also erst dann zu Wort melden dürfen, wenn er die Argumente von Jutta Ditfurth sachlich korrekt wiedergegeben hätte. Und umgekehrt hätte auch Ditfurth erst dann ihre Meinung liefern dürfen, wenn ihr es gelungen wäre, Bosbachs Haltung sachlich korrekt zu rekapitulieren.

Abgesehen davon, dass dies im konkreten Beispiel schon wegen der rein konfrontativen Leitfrage der Sendung ("Warum versagt der Staat?") nur schwerlich geglückt wäre, zeigt sich: Ein solches Format fehlt im deutschen Fernsehen. Es gibt dort keinen Ort, an dem auf diese Weise tatsächlich um Ideen und Argumente gerungen würde.

Bestehen Sie den ideologischen Turing-Test?

Dabei könnte es sich lohnen, genau ein solches Format auszuprobieren. Denn erstens kann die Streitkultur kaum schlechter werden und zweitens würde eine Prüfung im Stil des Turing-Tests dafür sorgen, dass endlich Argumente in den Mittelpunkt rücken. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin muss sich vorab intensiv mit den Ideen der Gegenseite befassen und diese öffentlich vorstellen. Losgelöst von persönlichen Sympathien könnte das Publikum sich so ein Bild vom Stand der jeweiligen thematischen Debatte machen: Was spricht für die Ehe für alle? Was spricht dagegen?

Prüfen Sie sich selber: Wären Sie in der Lage, die fünf wichtigsten inhaltlichen Argumente Ihrer Gegenseite zusammenzufassen? Das bedeutet nicht, dass Sie diese Ansätze teilen müssen; aber um glaubhaft über sie streiten zu können, müssten Sie sie mindestens benennen können.

Wir wollen dies gemeinsam mit Ihnen ausprobieren: Am 2. August wollen wir im Rahmen einer Veranstaltung in München das Prinzip von "Das ist deine Meinung" gemeinsam mit Ihnen testen. Dazu suchen wir Diskutanten, die bereit sind, auf Basis der genannten Regeln zu diskutieren. Jeder ist herzlich eingeladen, am Mittwoch um 19 Uhr im Container Collectiv (Werksviertel hinter dem Ostbahnhof, Atelierstraße Ecke Friedenstraße) zuzuschauen und mitzumachen.

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