Demjanjuk: Prozessauftakt in München:Im Zweifel für den Vater

An diesem Montag beginnt in München der Prozess gegen den mutmaßlichen SS-Schergen John Demjanjuk. Nun äußert sich sein Sohn - er ist von der Unschuld seines Vaters überzeugt.

Es ist einer der letzten großen Prozesse gegen einen NS-Verbrecher: An diesem Montagvormittag beginnt in München das Verfahren gegen John Demjanjuk. Der 89-jährige muss sich wegen Beihilfe zum Mord an 27.900 Juden im Vernichtungslager Sobibor 1943 verantworten. Hauptbeweismittel der Ankläger ist ein SS-Dienstausweis mit der Nummer 1393. Die Anwälte bezweifeln die Echtheit des Ausweises. Demjanjuk selbst schweigt zu den Vorwürfen.

Demjanjuk: Prozessauftakt in München: Angeklagt wegen Beihilfe zum Mord: In München beginnt an diesem Montag der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk

Angeklagt wegen Beihilfe zum Mord: In München beginnt an diesem Montag der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk

(Foto: Foto: AP)

Nun hat sich Demjanjuks Sohn geäußert. Er gibt sich von der Unschuld seines Vaters überzeugt: "Wir wissen in unseren Herzen, dass mein Vater niemals irgendjemandem ein Leid zugefügt hat. Und wir wissen auf Grundlage des vorliegenden Materials, dass es absolut keinen Beweis dafür gibt, dass er jemandem Leid zugefügt hat", sagte John Demjanjuk junior. Der nun in Deutschland angeklagte Fall sei bereits vom Staat Israel und vom höchsten israelischen Gericht verworfen worden - und dies nicht aus rein formalen Gründen.

Im Video: Der mutmaßliche KZ-Wächter John Demjanjuk muss sich ab Montag vor dem Landgericht München verantworten.

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Demjanjuk jr. zweifelt wie die Anwälte seines Vaters die Echtheit des SS-Ausweises an. Die eingetragene Körpergröße seines Vaters sei falsch, die Echtheit der Unterschrift zweifelhaft. Außerdem habe der Trawniki-Ausweis seines Vaters nicht die gleiche Lochung, die sein Foto aufweise.

Trawniki wurden von der SS zu Hilfskräften für die KZ-Wachmänner ausgebildet. Sie waren an der Räumung jüdischer Ghettos, Erschießung von Menschen und Betreibung der Gaskammern beteiligt. Demjanjuk soll einer dieser rund 3000 sowjetischen Kriegsgefangenen gewesen sein, die die Nazis von 1942 an als Handlanger beim Massenmord an den Juden in Polen heranzogen.

Aber selbst wenn jemand den Ausweis für echt halte, so Demjanjuks Sohn weiter, dürfe sein Vater nicht bestraft werden. Denn es gebe zahlreiche Zeugenaussagen, wonach die in Sobibor eingesetzten Trawniki als Gefangene nicht anders handeln konnten als den dort befehlenden SS-Männern zu gehorchen. Jeder, der sich widersetzte und fliehen wollte, sei erschossen worden.

Demjanjuk jr. verglich die Situation der sowjetischen Kriegsgefangenen mit der Situation von Juden, die in Konzentrationslagern zu Hilfseinsätzen gezwungen wurden. Er frage sich, worin der Unterschied bestehe zu einem ukrainischen Kriegsgefangenen, der sich fürs Überleben entschieden habe.

Zugleich zeigte sich der Sohn des Angeklagten empört darüber, dass die deutsche Regierung den Fall eines ukrainischen Kriegsgefangenen nun so forciere, während viele deutsche KZ-Wärter nie verurteilt wurden. "Einen Ukrainer zu verurteilen hilft ihnen, die Schuld wegzuschieben", sagte Demjanjuk jr. und drohte der Bundesregierung mit einer Klage.

Er hoffe, einen Weg zu finden, die deutsche Regierung wegen des Vorgehens gegen seinen Vater verklagen zu können. "Sie beschleunigen seinen Tod. Er wird das nicht überleben", sagte Demjanjuk jr. über den zunächst bis Mai angesetzten Prozess. Die Familie wird während des Prozesses nicht in München sein.

Nach Ansicht des Vertreters der Nebenkläger, Cornelius Nestler, spielt das Alter des Angeklagten indes in dem Prozess keine Rolle. Jeder, der an der Mordmaschinerie des NS-Vernichtungslagers Sobibor beteiligt gewesen sei, müsse sich seiner Verantwortung stellen, betonte der Kölner Strafrechtsprofessor im Bayerischen Fernsehen. Das gelte auch dann, wenn es sich um die niedrigen Stufen der Verantwortlichkeit handele. Demjanjuk könne sich nicht auf den sogenannten Befehlsnotstand berufen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, das Lager zu verlassen, sagte Nestler. Die Wachmänner seien nicht eingesperrt gewesen.

Zweimal 90 Minuten pro Tag

Der gebürtige Ukrainer ist seit seiner Abschiebung aus den USA im Mai in der Krankenabteilung der Haftanstalt München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Im Oktober hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerden Demjanjuks abgewiesen und damit den Weg für den Prozess frei gemacht. Die Ärzte haben festgelegt, dass gegen den gesundheitlich angeschlagenen Demjanjuk nicht länger als zweimal 90 Minuten pro Tag verhandelt werden darf.

Für den Prozess sind bis Mai 2010 vorerst 35 Tage angesetzt. Ob das ausreicht, ist aber unklar. Weil Demjanjuk kaum Deutsch spricht, muss die Verhandlung außerdem übersetzt werden.

Großes Medieninteresse

Der Prozess in München stößt auf ein riesiges Medieninteresse. Schon am frühen Montagmorgen, lange vor Beginn der ersten Verhandlung um zehn Uhr, warteten Dutzende Journalisten und Kamerateams vor dem Landgericht. Im Gerichtssaal gibt es nur 68 Plätze für Journalisten, es haben sich aber mehr als 200 Medienvertreter aus aller Welt akkreditiert.

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