Deix und Österreich:Sittengemälde in schrillen Farben

Der österreichische Karikaturist Manfred Deix zeichnet ein schonungsloses Bild seines Landes

Von Michael Frank

Eine schöne Welt ist das nicht, die Bilderwelt von Manfred Deix, sondern bevölkert mit furchtbar hässlichen Menschen. Eine Art Zungenkuss zwischen zwei älteren Herren, Jörg Haider, dem starken Mann der Freiheitlichen, und Alfred Gusenbauer, dem Boss der Sozialdemokraten, kann es an Reiz und Appetitlichkeit mit Leonid Breschnew und Erich Honecker aufnehmen auf deren legendärem Knutschplakat.

Deix und Österreich: "Ich will natürlich verletzen" - Manfred Deix hält Österreich den Spiegel vor.

"Ich will natürlich verletzen" - Manfred Deix hält Österreich den Spiegel vor.

(Foto: Zeichnung: Deix, 2004)

Und welch Graus die selben Protagonisten, verstärkt noch durch Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, als bunt gelederte Schwulenrotte beim Life Ball zu Wien.

Man hört den Zeichner während der Arbeit geradezu seufzen: Ach, Österreich, du Heimat feister Unverfrorenheit, du Hort heimtückischer Kriecherei, du Heimstatt grinsender Lügen, du schwüles Paradies des Obszönen.

Manfred Deix, Österreichs vielleicht berühmtester, sicher aber berüchtigtster und gefürchtetster Karikaturist, hat ein schauriges Sittengemälde seiner Welt gezeichnet und als dicken Folianten seinen Landsleuten auf die Füße fallen lassen.

"Der Dicke Deix" (Verlag Ueberreuter) heißt das Buch, mehr als 300 bunte Blätter im Großformat, gewichtig und unverschämt, wie man das von diesem Henker des Zeitgeistes erwarten darf.

Den Umschlag schmückt er selbst diesmal, völlig verfettet, nebst einer seiner verfressenen Katzen, den Blick in heiterer Hinterhältigkeit auf den Gegenstand seines bösen Stiftes gerichtet: eine an Leib und Seele nicht minder verfettete Gesellschaft. Des Fleisches Lust wird in diesem Buch noch mehr zu Last und Laster, als es schon immer Deixens Thema war.

Und die Ereignisse waren auch danach: Wenn da ein Blatt unterschrieben ist mit "Osterkuss mit Ostereiersuche", so bedarf es keiner Worte, um sich ausmalen zu können, dass dies nur besondere Feierlichkeiten im sündigen Priesterseminar zu St. Pölten sein können. Vor dessen Toren stehen dickliche Kerle Schlange, mit erwartungsfrohem Blick auf vorbeischlendernde Kinder.

Der Text: "Die Ereignisse im Priesterseminar wecken in vielen jungen Männern spontanes Interesse am Priesterberuf." Ja, wenn es geschlechtlich wird, ist Deix' Feder besonders gemein, gemein wie die Verlogenheit in dieser Sache, wie er meint.

Sittengemälde in schrillen Farben

Deix ist ein ehrlicher Mann. Er sagt: "Ich will natürlich verletzen." Er mag das Getue nicht leiden, wenn es heißt, Karikatur überhöhe nur und sei im Grunde eine Ehrenbezeigung vor den Karikierten. "Ich will verletzen, dafür zeichne ich. Ich will Wirkung haben, die erzielt man nicht mit Nettigkeiten."

Deix und Österreich: "Ich will Wirkung haben, die erzielt man nicht mit Nettigkeiten."

"Ich will Wirkung haben, die erzielt man nicht mit Nettigkeiten."

(Foto: Foto:)

Wenn also Otto von Habsburg meint, Träger dieses Familiennamens zu sein, sei eine so schwere Last gewesen, wie den Judenstern zu tragen, dann kommen Otto und Sohn Karl eben im KZ-Gewand mit dem gelben Stern daher.

Osama bin Laden als österreichischer Weihnachtsmann, der mutmaßliche NS-Kindermörder Heinrich Gross als Oskar-Preisträger, die Geduld eines Kardinals angesichts fummelnder Kleriker - Deix ist der Meinung, der Verrohung und Grobheit der Gesellschaft sei eben nicht mit feiner Feder, gleichsam dem Florett beizukommen.

Er war immer für den schweren Säbel. Die bei ihm früher so beliebten Stereotypen der Gesichter mit geblecktem Zahnfleisch über dem Gebiss und den bräunlichen Unterhosen sind nicht weniger unhöflichen Merkmalen gewichen: der Verfettung, der Geilheit. Und immer diese Hässlichkeit.

Das politische Paar Wolfgang Schüssel und Susanne Riess-Passer, einst gemeinsam Kanzler und Vizekanzlerin, mit Haider als lefzendem schwarzen Kampfköter am Strick - es lässt die Seele schaudern. Schüssel, der dürre Machtmensch, ist übrigens der einzige im ganzen Personal, der sich auch zeichnerisch nicht recht verdicken lässt.

Politik ist für Deix nie nur Politik, sondern immer auch Sittenbild, Unsittenbild. Und nichts käme ihm dümmer vor, als Gerechtigkeit zu üben gegenüber seinen Opfern.

Denn Opfer seines Spottes oder seiner Gemeinheiten, ob Prälaten, Politiker, Prominenz, machten ja wieder andere zu Opfern, und die ihrerseits wieder jene, die noch kleiner und unprominenter sind. Und sei es irrtümlich. Wenn nämlich einer "Schwarzenegger" ausruft und der schwarze Mann neben ihm empört "schwarze Neger" vernimmt.

Eine Sauhaxe wächst

Deix spürt in seinem Buch, das historisch die vergangenen sechs Jahre in Österreich umgreift - also vom Briefbombenbauer Franz Fuchs über den Sturz des "roten" Kanzlers Viktor Klima bis zur Rechtskoalition Schüssel-Haider und deren Folgen reicht - einem eigentümlich neuen Zeitgeist nach: Wie sich die alten, teils überwunden geglaubten autoritären Vorlieben seiner Landsleute neu verfestigen.

Wie sie es sich wieder gemütlich machen in neuen Stereotypen. Wie sie sogar politisch "korrekte" Kampagnen - den Kampf gegen Kinderverführer, gegen das Rauchen, den Kampf gegen das Böse an sich - mit der selben stieren Totalität verfolgen wie ihre Obsessionen. Wenn etwa in dieser Nation der Schweinefleischesser dem Österreicher statt eines Menschenbeins schon eine Sauhaxe wächst.

Immer wieder gibt es Augenblicke des Entsetzens: "Vor dem Horror der Arbeitslosigkeit zittern viele Menschen, besonders aber jene, deren Berufe nicht sonderlich gefragt sind, wie zum Beispiel der Igel-Imitator Gustav B., der soeben von seiner Kündigung erfahren hat", schreibt Deix. Größer kann Unglück nicht sein. Genau genommen hat Manfred Deix unter seinen Landsleuten nur Feinde. Dennoch lieben ihn viele, weil jeder seinen größten Widersacher ebenfalls hässlich karikiert sieht.

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