Degler denkt:Zweimal Null

Im Acht-Wochen-Rhythmus versucht die große Koalition die Konjunktur zu stützen - aber die Programme könnten sich in ihr Gegenteil verkehren.

Dieter Degler

Kürzlich traf ich einen Kollegen, der für eine deutsche Regionalzeitung schreibt. Der Mann ist verheiratet, hat zwei Kinder und verdient gut 3000 Euro netto im Monat. Sein Auto hatte eine Macke, eine Reparatur stand an. Ich fragte ihn, ob er sich nicht lieber gleich einen neuen Wagen kaufen wolle, immerhin schieße der Staat über das Konjunkturpaket II. 2500 Euro zu.

Degler denkt: Neuwagen-Kauf in der Rezession: Wann profitiert die deutsche Wirtschaft vom Konjunkturpaket II.?

Neuwagen-Kauf in der Rezession: Wann profitiert die deutsche Wirtschaft vom Konjunkturpaket II.?

(Foto: Foto: dpa)

Da wurde der Kollege ziemlich ungehalten: Wenn er ein ähnliches Automodell haben wolle wie bisher, müsse er rund 30.000 Euro auf den Tisch legen, die er aber nicht habe. Und das ganze Konzept sei schwachsinnig, weil er, wenn er das Geld hätte, wieder einen Toyota kaufen würde - der Effekt für die deutsche Wirtschaft sei in seinem Fall also gleich zweimal Null.

Nun mag das nicht der Regelfall sein, denn immerhin rechnen die Optimisten unter den Wirtschaftsexperten mit 300.000 mehr verkauften Wagen - aber er weist schlaglichtartig auf Mängel der aktuellen Wirtschaftspolitik hin.

Das neue Konjunkturpaket, genau so hektisch geschnürt wie das erste, aber erstaunlicherweise von fast allen Medien wohlwollend besprochen, ist in mehrfacher Hinsicht fragwürdig. Zum einen, hinsichtlich seiner einzelnen Module, zum anderen unter ordnungspolitischen Aspekten.

Neben einigen hoffentlich hilfreichen Vorschlägen - dazu gehören die Zuschüsse bei Kurzarbeit und Investitionen in marode Kindergärten, Schulen und Universitäten - muss die Wirkung anderer geplanter Maßnahmen bezweifelt werden.

Verpuffen dürften die minimalen Steuersenkungen ebenso wie die als Kinderbonus bezeichneten Konsumgutscheine. Glatte Schummelei ist der Staatszuschuss an die Krankenversicherungen, der die Beitragszahler um bestenfalls jene Beträge entlastet, um welche die Versicherungsbeiträge gerade erst erhöht worden waren. Und man wüsste gerne, warum diese Maßnahme erst im Juli wirksam werden soll, wo doch manche Berliner Gesundbeter die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Wende bereits für den Herbst prophezeihen.

Insgesamt gibt die große Koalition zur Dämpfung des konjunkturellen Abschwungs rund 75 Milliarden Euro aus - alle übrigen Rettungs-, Bürgschafts- und Schirmpakete nicht gerechnet. Und ebenfalls nicht berechnet ist, was noch folgt, wenn die Masse jener faulen Papiere an der Oberfläche des Finanzsumpfes auftaucht, die jetzt noch in den Büchern der Kreditinstitute schlummern.

Auf der nächsten Seite: Was passiert, wenn die fiskalischen Maßnahmen fehlschlagen.

Zweimal Null

Nun sind konjunkturelle Spritzen à la Keynes immer mit Verschuldung verbunden. Und das ist auch in Ordnung, wenn die Stimulation der Märkte erstens wieder zu einem selbsttragenden Aufschwung führt und zweitens die zusätzlichen Lasten schnell wieder abgetragen werden können.

Ordnungspolitisch aber ist die gesamte Richtung dann fragwürdig, wenn beides eher ungesichert ist. Genau das aber trifft hier zu: Ob sich die Maßnahmen der großen Koalition als klug strukturiert und ausreichend dimensioniert erweisen, wird von vielen, FDP vorneweg, bezweifelt und bleibt abzuwarten. Und an ein flottes Abtragen der Schulden ist kaum zu denken.

Verzweifelter Anstrich von Solidität

Die Bundesrepublik hat ihren Anspruch der Haushaltskonsolidierung aufgegeben und lebt noch extremer über ihre Verhältnisse als schon zuvor. Im Norden des Landes gibt es den Begriff des ehrbaren hanseatischen Kaufmanns: Der gibt prinzipiell nur Geld aus, das er zuvor erwirtschaftet hat. Damit hat die aktuelle Finanzpolitik nichts mehr zu tun. Die Neuverschuldung, die vergangenes Jahr knapp über elf Milliarden Euro lag, könnte sich 2009 versechsfachen.

Haben die fiskalischen Maßnahmen aber nicht den gewünschten Erfolg, kann sich ihre Wirkung in das Gegenteil des Beabsichtigten verwandeln: Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr um 2,3 Prozent sinken, vielleicht noch stärker. Das bedeutet, wie schon im vierten Quartal 2008, steil fallende Steuereinnahmen bei gleichzeitig sprunghaft wachsender Zinslast, die wiederum den Spielraum für weitere konjunkturanregende Investitionen senken und deshalb mutmaßlich zu neuer Schuldenerhöhung führen wird.

Zu dieser Art von Politik passt, dass die Bundesregierung die Schulden aus den im Acht-Wochen-Rhythmus verabschiedeten Konjunkturpaketen (wie viele werden wohl noch folgen?) in einem Sonderfonds anhäufen möchte, der den regulären Haushalt etwas freundlicher aussehen lassen soll. Dazu passt auch, dass mit der Rückzahlung wohl erst begonnen wird, wenn das Bruttoinlandsprodukt wieder ansehnlich steigt (wann immer das sein wird).

Und dazu passt schließlich der Vorschlag, über eine Grundgesetzänderung künftige Nettokreditaufnahmen wirksam zu begrenzen, was der gesamten Operation einen verzweifelt wirkenden Anstrich von Solidität verleihen soll. Denn diese Gesetzesänderung, falls sie denn überhaupt kommt, ist erstmal auf das Frühjahr verschoben.

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