Degler denkt:Tand des Lächelns

Von Merkel bis Guttenberg: Die Berliner Krisenmanager führen uns an der Nase herum. Sie machen die Lage schöner, als sie ist.

Dieter Degler

Es war ein forscher Auftritt, den der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg dieser Tage in Bild hatte. Zupackend und entschieden positiv. Er erwarte den Aufschwung, ganz im Sinne seiner Kabinettsvorbeter, "im Herbst", und zwar "spätestens", also wahrscheinlich schon früher.

Degler denkt: Sorgt wie sein Vorgänger in Berlin für rosa Wolken: Der neue Wirtschaftsminister Guttenberg

Sorgt wie sein Vorgänger in Berlin für rosa Wolken: Der neue Wirtschaftsminister Guttenberg

(Foto: Foto: dpa)

Während in den USA Präsident Obama den Bürgern mit drastischen Worten die katastrophalen Folgen ausmalte, die eintreten würden, falls die geplanten Maßnahmen der Regierung nicht in Kraft träten oder nicht griffen, knüpfte der Berliner Kabinettsnovize an seinen Vorgänger an, der ein paar Tage vor seiner Demission für das dritte und vierte Quartal ein konjunkturelles "Plus" prophezeit hatte.

Mit seinem ökonomischen Frohsinn war er auch gleich auf Augenhöhe mit Chefin Angela Merkel (CDU) und Kollege Peer Steinbrück (SPD), die beide vom Beginn der Krise an die Schuld am Niedergang und die zu erwartenden schlimmsten Auswirkungen ins Ausland abgeschoben hatten. Skeptikern wurden "Sado-Maso-Tendenzen" attestiert.

Bürger werden in die Irre geführt

Was der junge Minister da gesagt hat, ist Unsinn. Es wird, wenn nicht alle Anzeichen täuschen, im Herbst weder Plus noch Aufschwung geben. Die Welt taumelt von Rezession in Richtung Depression oder steckt, wie der Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauß-Kahn, sagt, bereits mittendrin.

Wenn etwas sicher ist, dann dies: Bevor es vielleicht wieder besser wird, wird es erst einmal noch viel schlimmer. Und viele Menschen, die bisher nur in der Zeitung von der Krise lesen, werden sie dann im eigenen Portemonnaie erfahren.

Doch die Prognosen des adeligen Schönredners haben Methode. Seit Beginn der Krise haben die Kanzlerin und ihr Finanzminister vor allem dies getan: die Öffentlichkeit beschwichtigt, die Situation schöngeredet und die Bürger damit in die Irre geführt. Während immer mehr Menschen um Einkommen und Arbeitsplätze fürchten, bieten die Berliner Akteure ihren Bürgern den Tand des Lächelns.

Tand des Lächelns

Dazu gehören beispielsweise die Reden von Merkel und Steinbrück bei der letzten Haushaltsdebatte. Die Kanzlerin lobte den Etat 2009 als einen, der wegen der dort noch vorgesehenen geringen Neuverschuldung seinesgleichen suche, die Probleme deutscher Banken lägen "glücklicherweise in überschaubarem Rahmen".

Steinbrück wiederum assistierte, die möglichen Auswirkungen der globalen Superkrise "auf uns" seien "begrenzt", Deutschland sei "nicht in einer Rezession", es gebe keinen Anlass, "an der Stabilität des deutschen Finanzmarktes zu zweifeln". Wohlgemerkt: Damals hatte selbst die US-Leuchte George W. Bush schon verstanden, wie der Hase läuft - und Steuerschecks über 95 Milliarden Dollar verteilen und sein erstes Rettungspaket schnüren lassen.

Zu den rosa Wochen in Berlin gehört auch Merkels gesundbeterische Bemerkung, Deutschland werde gestärkt aus der Krise hervorgehen. Wahr ist, dass die Exportnation durch die globale Krise stärker geschwächt wird als fast jede andere Volkswirtschaft. Wahr ist, dass Deutschland unter den Ländern der Eurozone im letzten Quartal 2008 mit einem Minus von 2,1 Prozent eines der schlechtesten aller Ergebnisse eingefahren hat. Und wahr ist auch, dass die relative Menge der Arbeitsplatzverluste hierzulande im Januar (387.000) mehr als doppelt so hoch war wie in den USA. Die deutsche Arbeitslosenquote lag mit 8,3 Prozent klar über der amerikanischen.

Die Vorfreude der Herren Westerwelle und Lafontaine

Theoretisch gibt es zwei Möglichkeiten, die Kommunikation der Bundesregierung in Sachen Finanzkrise zu erklären: Entweder hat sie es nicht besser gewusst. Das wäre eine ziemlich katastrophale Wahrheit, und man müsste bis zur Wahl im Herbst noch jede Menge folgenschwerer und kostspieliger Fehler im Berliner Krisenmanagement befürchten. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie es besser gewusst, den Wählern aber vorsätzlich Valium verabreicht hat.

Zwar spielen Psychologie und Mutmachen gerade in Krisenzeiten eine Rolle. Aber: Zuversicht kann nur auf der Basis von Vertrauen wachsen. Klaffen zwischen Tatsachen und Kommunikation Widersprüche, wächst die Skepsis.

Quittiert wird im Herbst. Dann müssen die beiden größeren Parteien damit rechnen, abgestraft zu werden. Die als wirtschaftskompetent angesehenen Liberalen und die Linke, denen die Krise Publikum zutreiben dürfte, werden weiter wachsen. Die Umfragen zeigen es.

Die Herren Westerwelle und Lafontaine dürfen schon jetzt die Vorfreude genießen.

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