Degler denkt:Klima: Das Drama Kopenhagen

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Sie sind schnell und spendabel, wenn es um die Weltwirtschaft geht. Aber bei der Rettung des Weltklimas sind die Lenker des Planeten lahm und knauserig.

Dieter Degler

Was hat der Mann nicht alles auf den Schultern: Er soll Afghanistan, den Nahen Osten und den Irak befrieden und am besten die ganze Welt. Er will die Atommacht Pakistan davor bewahren, zum Weltsicherheitsrisiko Nummer eins zu werden, die Atomprogramme von Iran und Nordkorea wegverhandeln und den ganzen Planeten zur atomwaffenfreien Zone machen.

US-Präsident Barack Obama bei seinem Staatsbesuch in China. (Foto: Foto: Getty Images)

Die Weltwirtschaftskrise will er auch noch schultern, die Amerikaner sollen nach einem Vierteljahrtausend endlich ein Gesundheitssystem bekommen, das diesen Namen verdient, und, das Wichtigste: Er soll die Erde vor dem Klimakollaps retten. Barack Obama Superstar.

Ob der US-Präsident in ein paar Wochen, wenn sich 192 Regierungschefs in Kopenhagen zum Klimagipfel treffen, dabei sein wird, ist fraglich. Denn das Thema, so scheint es, überfordert den Polit-Titanen ebenso wie seine etwas überschaubarer geratenen Kollegen vom Rest des Planeten. Was das "wichtigste internationale Treffen seit dem Zweiten Weltkrieg" (der britische Klimaökonom Nicholas Stern) werden sollte, wird wohl, wieder einmal, an der von Widersprüchen und Egoismen strotzenden Wirklichkeit scheitern.

Der angestrebte Weltklimavertrag ist nicht in Sicht.

Nun kann man ja die Klimafrage aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten: Glaubt man beispielsweise nicht an die vom Menschen verursachte Überhitzung des Planeten, muss man nichts tun und auch keine Konferenzen abhalten. Folgt man aber der Mehrheit der Naturwissenschaftler und glaubt daran, nutzen Konferenzen nur dann, wenn sie - anders als das löcherige Abkommen von Kyoto - zu eindeutigen, terminierten und überprüfbaren Verabredungen führen.

Danach aber sieht es drei Wochen vor Kopenhagen nicht aus. Zu erkennen sind mindestens drei Hauptwiderstände. Erstens: Außer engagierten Bekundungen kommt aus den USA, die noch nicht einmal über ein eigenes Klimaschutzgesetz verfügen, auch in der Ära Obama nicht viel. Weder mag sich das Land der begrenzten Möglichkeiten zu konkreten Mengenreduzierungen von Treibhausgasen bekennen, noch zu verbindlichen Terminen, noch zu Zahlungen an Entwicklungsländer.

Wenig Spielraum für Obama

Mehr innenpolitischen Druck kann der Präsident kaum entwickeln, versucht er doch gerade gegen erbitterten Widerstand die allgemeine Krankenversicherung durchzusetzen. Und auch außenpolitisch muss er behutsam sein: Einen vehementen Vorstoß, China, den zweitgrößten Klimasünder der Welt, für Kopenhagen in die Pflicht zu nehmen, gab es beim Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum in Singapur nicht - China ist der größte Gläubiger der US-Staatskasse. Und ob die etwas stärkeren Worte Obamas diese Woche beim Besuch in Peking etwas bedeuten, ist noch offen.

Zweitens: Die Inder bremsen. Das Milliardenland pocht - ebenso wie die meisten Entwicklungsländer - darauf, sein Wirtschaftswachstum weiter voranzutreiben. Das mutige Versprechen des indischen Umweltministers Ramesh, es werde in Kopenhagen "echte Fortschritte" geben, kassierte Ministerpräsident Singh auf der Stelle.

Ramesh musste auf Druck seines Regierungschefs erklären, sein Land werde sich in Kopenhagen keinesfalls zu konkreten CO2-Zielen bekennen. Und: Im vergangenen Monat verpflichteten sich Indien und China, in Kopenhagen nur gemeinsam abzustimmen.

Auch Europa bremst

Der dritte Verzögerer beim Kampf um das globale Klima sind wir Europäer selbst. Zwar hat sich die EU zu einer Emissionsreduzierung um 20 Prozent bis 2020 verpflichtet und liegt damit im internationalen Vergleich nicht schlecht. Doch vom Kontinent der Reichen erwarten vor allem die Entwicklungsländer mehr und vor allem eines: Geld für die notwendigen Anpassungsprozesse. Und zu konkreten Transferleistungen - auf Deutschland entfielen rund 17 Milliarden Euro pro Jahr - haben sich weder Brüssel noch Berlin bislang durchringen können.

Falls Angela Merkel, die aktuell gemeinsam mit ihren französischen und dänischen Kollegen zum Umweltthema vor die Weltpresse treten will, dabei bleibt, sei von der postulierten Klima-Führungsrolle Deutschlands "nicht viel übrig", beklagt die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Es wäre ein Drama: Binnen Wochen kann die Weltgemeinschaft Billionen Euro, Dollar oder Pfund mobilisieren, wenn ein Teil der globalen Wirtschaft ins Schlingern gerät. In Deutschland wird eine einzige Bank mit mehr als 100 Steuermilliarden vor dem Konkurs bewahrt. Geht es aber ums Ganze und Große, um die Lebensgrundlagen der Menschheit schlechthin, versagt die internationale Vernunft schon, wenn es um eine Handvoll Milliarden geht.

Daran wird Kopenhagen nichts ändern.

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