Degler denkt:Die Selbstverstümmelung der SPD

Gegner von rechts und links brauchen sie gar nicht: Bei der Minimierung ihrer Wahlchancen lassen sich die Sozialdemokraten von niemandem übertreffen.

Es gibt einen Popsong von den "Fantastischen Vier" mit der schönen Zeile: "Es könnte so einfach sein - isses aber nicht." Der Vers passt in diesem Sommerloch perfekt zur SPD.

Degler denkt: Der Streit um den Parteiausschluss Wolfgang Clements hat der ohnehin geschwächten SPD noch mehr geschadet.

Der Streit um den Parteiausschluss Wolfgang Clements hat der ohnehin geschwächten SPD noch mehr geschadet.

(Foto: Foto: dpa)

Sie könnte in Bund und Ländern klaren Kurs im Verhältnis zur Linkspartei fahren, was ihr bei der Bundespräsidenten- und Bundestagswahl und in Hessen zugutekäme.

Sie könnte Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten machen, was ihre Wahlchancen im kommenden Jahr noch einmal erhöhen würde.

Und sie könnte schließlich dem altersnarzistischen Wolfgang Clement eine Rüge für seine RWE-Lobbysprüche vor der hessischen Landtagswahl erteilen - damit wäre die Sache angemessen erledigt.

Und sie könnte, wenn diese Themen abgehandelt wären, freigewordene Zeit und Energie nutzen, um die inhaltlichen Claims abzustecken für den großen Showdown im Herbst 2009.

So einfach könnte alles sein, wenn es nicht die SPD wäre, um die es geht. Sie hält alle Themen im medialen und öffentlichen Gespräch - allerdings mit unerwünschtem Effekt. Setzt sie den Chaos-Kurs fort, hat sie gute Aussichten, innerhalb von nur einer Legislaturperiode zur ehemaligen Volkspartei zu schrumpfen.

L-, K- und C-Frage

Beispiel L-Frage: Im Berliner Landesparlament von Klaus Wowereit längst erfolgreich beantwortet, eiert die Bundespartei um die Konkretisierung ihres Bündniswillens herum. Erst sollte Frau Ypsilanti sich in Hessen mit linken Stimmen zur Regierungschefin wählen lassen, dann wieder nicht.

Danach gab Kurt Beck ihr die Entscheidung in die Hand, wenig später drängte die Parteiführung, sie solle einen zweiten Versuch unterlassen. Nun sondiert sie auf eigene Faust - egal, ob das den Südgenossen beim Urnengang in Bayern schadet.

Beispiel K-Frage: Innerhalb und außerhalb der Partei weiß jeder, dass Kurt Beck ein suboptimaler Kanzlerkandidat wäre und dass der einzige Bewerber mit Minimalchancen der Chef des Außenamtes ist. Er kann sich - großer Nachteil gegenüber der Amtsinhaberin - allerdings nicht als der natürliche Kandidat präsentieren, weil Kurt Beck erstmal förmlich seinen Verzicht erklären müsste, wovon er noch ein ganzes Stück entfernt scheint.

Und schließlich die C-Frage: Natürlich hat Wolfgang Clement mit seinem Wahlaufruf gegen die hessische SPD der Partei geschadet. Er hat ihr jedoch auch jahrzehntelang als Kärrner gedient. Dass nun auch der letzte grünschnäblige Juso-Unterbezirksvorsitzende den Mann als SPD-Gegner verunglimpfen kann, ist typisch für die innere Verfassung der Genossen.

Wer sich noch an Parteispendenaffären erinnert und an Helmut Kohl, der sein Ehrenwort über das Gesetz stellte - ein Fehlverhalten, das unvergleichlich schwerer wog als das Clements -, wird sich vielleicht auch noch daran erinnern, wie schnell und geräuscharm die Union das Thema verdrängte.

Der SPD mangelt es derzeit ganz offensichtlich an klarer Führung und kluger Kommunikation nach innen und außen. Gelingt es ihr nicht, diese Defizite entscheidend zu verringern, wird sie bei der Abstimmung im kommenden Herbst tatsächlich dort landen, wo sie schon heute in Umfragen rangiert.

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