Debattenkultur:Der Ton wird schärfer

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Auch das Englisch ist mangelhaft: Hetzparole an einer Notunterkunft für Flüchtlinge in Riedlingen, Baden-Württemberg. (Foto: Thomas Warnack/dpa)

Innenminister Thomas de Maizière beklagt "die Verrohung der Sprache" in der Flüchtlingskrise - und ein "Ausufern der Gewalt".

Von Constanze von Bullion und Thorsten Schmitz, Berlin

Entschlossenheit und weniger schrille Töne: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat bei den Berliner Sicherheitsgesprächen eine schärfere Gangart bei Abschiebungen angekündigt und gewarnt, mit scharfen Tönen den gesellschaftlichen Disput über die Flüchtlingslage anzuheizen. "Ich glaube, dass das Ausufern der Gewalt und die Verrohung der Sprache nicht nur eine Folge der Flüchtlingsentwicklung sind", sagte er mit Blick auf den zunehmend rauen Ton der Debatte. Sprüche seien "leicht gemacht", Lösungen schwerer zu finden.

Mittwoch in der Landesvertretung des Saarlands in Berlin, der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat zu den 10. Berliner Sicherheitsgesprächen geladen. Auf dem Podium soll der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dieter Romann, mit Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen und dem Exekutivdirektor der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex, Fabrice Leggeri, diskutieren, auch Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkhardt und Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sind eingeladen.

Eine Million Flüchtlinge seien 2015 ins Land gekommen, sagt BDK-Chef André Schulz, "mehrere Zehntausend" seien unregistriert eingereist. Da müsse man "schlicht von einem Kontrollverlust des Staates sprechen". Wo Sicherheitsbehörden der Überblick fehle, die Politik und Europa versage, sei das Risiko terroristischer Anschläge "nicht seriös zu beurteilen". Entweder die Fluchtursachen würden beseitigt oder Europas Grenzen müssten geschlossen werden - was kaum umsetzbar sei, da illegale Grenzüberschreitungen dann in letzter Konsequenz "mit Gewalt verhindert werden" müssten. Das sind Töne, die an die jüngsten Äußerungen aus der AfD erinnern. Der Innenminister wird sich deutlich distanzieren. 198 Straftaten gegen Asylbewerberheime habe es 2014 gegeben, sagt de Maizière, im vergangenen Jahr aber 1005. "Es gibt keinen politischen, gesellschaftlichen oder sozialen Grund, in Deutschland Gewalt anzuwenden." Gemeint ist damit wohl auch, Polizisten zur Anwendung von Gewalt an den deutschen Grenzen aufzufordern.

Es ist Zurückhaltung auch in der Sprache, die der Minister da fordert, und zwar von allen Beteiligten. Der Ton werde zu ruppig, auch im Internet, sagt de Maizière. "Ich glaube, dass der Verzicht auf Gewalt in der Sprache auch zum Verzicht auf Gewalt im Umgang führen kann." Fast im Nebensatz kündigt der Minister weitere Verschärfungen in der Asylpraxis an. Kein Land Europas verzichte so großzügig auf Abschiebungen wie Deutschland: "Das werden wir jetzt ändern." Wo es im Herkunftsland eine "ausreichende medizinische Versorgung" gebe, müsse abgeschoben werden.

Anschließend richtet nicht nur der Geschäftsführer von Pro Asyl den Blick auf die Radikalisierung bislang unauffälliger Bürger. Auch Verfassungsschutzpräsident Maaßen nennt es eine "große Gefahr für die deutsche Gesellschaft, dass zunehmend und wegen des Themas Flüchtlinge die bürgerliche Mitte zu Gewaltbereitschaft neigt". Er halte es "für eine gute Idee", die AfD zu beobachten. Noch aber gebe es keine Anhaltspunkte dafür.

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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