Debatten:Giftpilze seit 1791

Der Ton in der britischen Politik und auch in der Presse des Königreichs war schon immer äußerst hart, ja gnadenlos

Von Alexander Menden

"Stupid Woman", dumme Frau, soll Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei angeblich über Theresa May in seinen Bart gebrummt haben; während der letzten Parlamentsdebatte des Jahres 2018. Dass die angebliche Beleidigung der Premierministerin solche Aufregung auslöste, ist erstaunlich: Weniger, weil es sich dabei doch nur um ein Nebenereignis in all dem Chaos handelte, das der mögliche Austritt aus der Europäischen Union ohne ein Abkommen auslösen könnte. Sondern vor allem, weil Corbyns Bemerkung im Kontext der Gepflogenheiten des Unterhauses und der politischen Debatten in Großbritannien eher harmlos ist - unterstellt, er hat tatsächlich "dumme Frau" gesagt, und nicht, wie er selbst behauptet, "dumme Leute" (über die Abgeordneten allgemein). Der spätere Premier Benjamin Disraeli beschimpfte im 19. Jahrhundert die Kabinettsmitglieder als "Esel"; Mays Vorgänger David Cameron nannte den finanzpolitischen Sprecher der Opposition, Ed Balls, einen "stammelnden Idioten" (Balls hat einen Sprachfehler), worauf der damalige Labour-Chef Ed Miliband diesen Premier als "Depp von Downing Street" titulierte. Und auf die Verwendung des Ausdrucks "dumm" hätte Corbyn ohnehin nicht das Copyright. John Bercow, der Speaker des Unterhauses, musste vor Kurzem zugeben, eine andere Tory-Politikerin derart tituliert zu haben.

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