Debatte ums Betreuungsgeld:Kinder erziehen geht auch ohne Abitur

Spitzentreffen zum Ausbau der Kleinkinderbetreuung

Egal ob Hauptschulabschluss oder Abitur: Ein Großteil der Eltern kümmert sich liebevoll um kleine und große Kinder.

(Foto: dpa)

Es gibt gute Gründe, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Politiker machen es sich aber zu einfach, wenn sie darauf verweisen, dass vor allem Eltern ohne höhere Schulbildung oder mit Migrationshintergrund die Leistung nutzen.

Von Barbara Galaktionow

Fast ein Jahr lang war es ruhig um das Betreuungsgeld, das einstige Lieblingsprojekt der CSU. Mit der Einführung der neuen Familienleistung zum 1. August 2013 schienen sich die erhitzten Debatten erst einmal erledigt zu haben - die CSU kümmert sich um ihr neues Baby, die Pkw-Maut. Dass die Aufregung nun plötzlich wieder groß ist, liegt nicht am Sommerloch, sondern an einer Studie, deren Ergebnisse kurz vor dem "Einjährigen" des Betreuungsgelds starke Aufmerksamkeit erfahren.

Danach sind es vor allem Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss oder Migrantenfamilien, die Betreuungsgeld für ihre Kleinen beziehen wollen anstatt sie in eine staatlich geförderte Kinderbetreuung zu geben, stellen das Deutsche Jugendinstitut (DJI) und die Universität Dortmund fest. Dieser Befund wundert nicht. Denn schon vor Einführung des Betreuungsgeldes auf Bundesebene hatte Thüringen genau diese Erfahrung gemacht.

Ein Politikum sind die Ergebnisse der DJI-Studie aber trotzdem. Denn die Gegner des Betreuungsgeldes sehen sich in ihrer Ablehnung bestätigt und blasen erneut zum Angriff. Politiker von SPD und Grünen melden sich zu Wort und wollen das Betreuungsgeld schnellstmöglich wieder abschaffen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagt als Reaktion auf die Studie nicht nur, das Betreuungsgeld sei "absoluter Unsinn", der falsche Anreize setze. Sie behauptet auch, es verhindere frühkindliche Förderung. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann stellt mit Blick auf die Untersuchung unmissverständlich fest: "Das Betreuungsgeld führt dazu, dass Kindern Entwicklungschancen vorenthalten werden."

Mit diesen Argumenten bewegen sich die Politikerinnen auf einem etwas fragwürdigen Terrain. Denn auch wenn sie es nicht ganz klar formulieren, implizieren ihre Aussagen doch: Es ist noch halbwegs in Ordnung, wenn Akademiker-Eltern ihr Kind in den ersten Jahren zu Hause erziehen, aber bei Vätern und Müttern mit Hauptschulabschluss wird das zum Problem. Argumente wie diese setzen Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss, mit geringem Einkommen oder Migrationshintergrund pauschal dem Verdacht aus, ihren Kindern wegen 100 Euro pro Monat Bildung vorzuenthalten (zum 1. August 2014 steigt der Beitrag auf 150 Euro).

Mit zwei zu Hause, mit vier im Kindergarten

Sicher, Studien haben zuletzt immer wieder verdeutlicht, wie wichtig die vorschulische Entwicklung und Bildung von Kindern für ihren gesamten weiteren Lebensweg ist. Doch sollten Politiker genauer darüber nachdenken, von wem sie im Falle des Betreuungsgelds reden: von Zwei- und Dreijährigen.

Ein Krippenbesuch macht ihnen später vielleicht manches leichter, doch das Wichtigste in diesem Alter ist kein ausgefeiltes Bildungsprogramm. Sondern es sind liebevolle, verlässliche und zugewandte Bezugspersonen. Das können Krippenerzieherinnen sein, eine Tagesmutter - aber am wichtigsten sind die eigenen Eltern, und zwar egal ob mit oder ohne Abitur. Und dass ein Kind nicht in die Krippe geht, heißt ja nicht, dass es auch dem Kindergarten fernbleiben wird.

Gegner des Betreuungsgelds sollten also ihre Worte sorgsamer wählen, wenn sie niemanden diskrimieren wollen. Zumal die Studie des DJI und der Uni Dortmund auch gezeigt hat, dass Migranten sich sehr viel häufiger Betreuung für ihre Kinder wünschen als Eltern ohne Migrationshintergrund - dann aber oft keinen Platz erhalten. Und wer keinen Krippenplatz bekommt, wird wohl notgedrungen zumindest auf das Betreuungsgeld zurückgreifen.

Genügend Gründe sprechen gegen das Betreuungsgeld

Unabhängig vom Bildungsargument, bei dem zudem oft eine etwas übertriebene Leistungs- und Optimierungsfixierung mitschwingt, gibt es genug gute Gründe, das Betreuungsgeld abzuschaffen. Es ist von Grund auf verkorkst, jemandem eine staatliche Leistung zu gewähren, damit er eine andere nicht in Anspruch nimmt, also in diesem Falle: Betreuungsgeld dafür, dass ein Kleinkind nicht in eine staatliche geförderte Kinderbetreuung geht.

Jonglieren mit dem Personal

Vor allem aber werden jedes Jahr Dutzende Millionen in eine Leistung gesteckt, die kaum jemandem wirklich gefehlt hat. Nach Angaben des Familienministeriums wurden seit Einführung der Leistung vor knapp einem Jahr fast 155 Millionen Euro an Betreuungsgeld ausgezahlt. Dieses Geld fehlt an anderer Stelle.

Trotz großer Ausbauanstrengungen finden immer noch viele Eltern keinen Betreuungsplatz für ihr Kleinkind. Auch die Qualität vieler Einrichtungen hinkt immer noch hinterher. Hier geht es nicht einmal um innovative pädagogische Konzepte - oft gibt es nicht einmal genügend Erzieher und Betreuer, um grundlegende Bedürfnisse der Kinder angemessen erfüllen zu können.

Der Mangel an qualifiziertem Personal ist selbst in einer Großstadt wie München eklatant. Von der Krippe bis zum Hort jonglieren viele Einrichtungen hier mit der knappen Personaldecke, für offene Stellen finden sich keine Bewerber. Und Besserung ist nicht in Sicht, weil ganz einfach die Ausbildungsplätze fehlen.

Hier gäbe es also einiges zu tun. Und die Millionen, die in das Betreuungsgeld gepulvert werden, wären beim Krippenausbau sicherlich besser aufgehoben. Vielleicht kann ja die DJI-Studie auch einige Politiker aus der CDU (und vielleicht gar aus der CSU) dazu bewegen, ihre Haltung zu der Leistung zu überdenken. Der Koalitionspartner SPD muss sicher nicht überzeugt werden.

Doch solange es das Betreuungsgeld gibt, sollte die Politik aufpassen, sogenannte sozial benachteiligte oder bildungsferne Eltern nicht zu diffamieren, wenn diese die Leistung tatsächlich in Anspruch nehmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: