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FDP: Debatte um Westerwelles Rückzug:Liberale denken den "Urknall"

Der Druck auf Guido Westerwelle nimmt stetig zu: Spitzenliberale diskutieren inzwischen nicht nur seinen möglichen Abgang als FDP-Parteichef - sondern sogar Westerwelles Aus als Außenminister.

Die Freidemokraten kommen nicht zur Ruhe: Tag um Tag gewinnt die Diskussion über den Zustand der FDP an Fahrt - und, allem voran, die Debatte um die Zukunft von Parteichef Guido Westerwelle.

Zuerst hatte der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, öffentlich von Auflösungserscheinungen seiner Partei gesprochen. Dem Fanal aus dem hohen Norden folgten ätzende Einlassungen aus Mainz, wo man Westerwelle als "Klotz am Bein" empfindet, und Rücktrittsforderungen von honorigen Parteigrößen aus Baden-Württemberg.

Nun wurde publik, dass sich auch namhafte Liberale der Bundespartei Gedanken über eine FDP ohne die Führungskraft Westerwelle machen. Einflussreiche Politiker des "Schaumburger Kreises" der Partei haben bereits am Dienstag über Möglichkeiten eines schnellen Rückzugs Westerwelles von der Parteispitze beraten. Das berichten mehrere Medien übereinstimmend an diesem Donnerstag.

An dem Treffen in Berlin habe auch Westerwelles Stellvertreter in der Partei, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, teilgenommen, berichtet das Handelsblatt. Brüderle gilt als ein Nachfolgekandidat für den Bundesvorsitz. Unter den 17 Teilnehmern sollen auch Schatzmeister Hermann Otto Solms, Fraktionsvize Patrick Döring und mehrere Bundestagsabgeordnete gewesen sein.

Dass das Treffen stattgefunden hat, bestätigt das Büro Brüderles auf Anfrage von sueddeutsche.de. Über den Inhalt könne man allerdings nichts sagen. Solms wiegelt lieber alles ab: Er möchte die Medienberichte nicht kommentieren, heißt es lapidar - ein klares Dementi klingt anders.

Die Bild-Zeitung schreibt über das Treffen, man habe das Für und Wider eines Rückzugs Westerwelles auf dem Dreikönigstreffen am 6. Januar 2011 in Stuttgart erörtert. Sogar Westerwelles totaler Rückzug aus der ersten Reihe wurde laut Bild und Handelsblatt diskutiert. Das bedeutet: auch ein Rückzug Westerwelles vom Amts des Außenministers.

Die Frage, welche Konsequenzen ein Rücktritt Westerwelles für die Partei hätte, sei letztlich aber offen geblieben. "Wie nach einem Urknall die liberale Welt aussieht, kann eben niemand sagen", zitierte das Handelsblatt einen Teilnehmer.

In der Vergangenheit hatte Westerwelle mehrfach klargemacht, dass er an seinen drei Posten als Parteichef, Außenminister und Vizekanzler festhalten will. Bundesweit dümpelt die FDP in den Umfragen zwischen vier und sechs Prozent.

Leutheusser-Schnarrenberger nimmt Westerwelle in Schutz

Allerdings erhielt der angeschlagene Parteichef auch Zuspruch aus der FDP. Die bayerische Landesvorsitzende, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, gilt nicht gerade als engste Freundin Westerwelles - trotzdem nahm sie ihn nun in Schutz. Die Bundesjustizministerin riet ihrer Partei davon ab, sich auf eine Personaldiskussion zu konzentrieren. Die FDP habe nur eine Chance, "wenn wir kämpferisch auftreten und uns nicht wirklich selbst erledigen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger zum Radiosender Bayern2.

FDP-Wähler seien enttäuscht, weil sie sich in der jetzigen Regierungspolitik nicht wiederfänden. "Das ist unser Problem und nicht, dass wir die Bürgerinnen und Bürger auch noch mit großen Personaldiskussionen öffentlich behelligen."

Ebenso stellte sich Volker Wissing, der liberale Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, hinter Westerwelle. Dessen Ämter als Außenminister und FDP-Chef seien durchaus vereinbar, erklärte Wissing im ZDF. Gegenteilige Vorwürfe träfen "nicht den Kern des Problems".

Wissing räumte zugleich ein, die Kritik am Zustand der FDP sei "durchaus auch in Teilen berechtigt". Dieses Problem müsse aber "gemeinsam und geschlossen" gelöst werden. "Man macht es sich zu einfach, wenn man nur auf eine Person schielt."

Wenn der Spitzenkandidat der FDP in Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin, glaube, ohne den Bundesvorsitzenden im Wahlkampf erfolgreicher sein zu können, dränge sich Westerwelle "sicherlich nicht auf".

Es könnte nur sein, dass Guido Westerwelle bei der Wahl Ende März schon gar nicht mehr Parteichef ist.

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