Süddeutsche Zeitung

Debatte um Westerwelle:CSU-Politiker reklamiert Außenamt für die Union

Der Europaparlamentarier und CSU-Parteivorstand Bernd Posselt attestiert Außenminister Guido Westerwelle "Lustlosigkeit" im Amt und verlangt nach einem Unionspolitiker auf dessen Posten. Auch Angela Merkels alter CDU-Rivale Friedrich Merz meldet sich zu Wort und stichelt wegen der Libyen-Politik gegen Außenminister und Kanzlerin.

Oliver Das Gupta

Wenn die politische Konkurrenz Mitleid äußert, ist das ein schlechtes Zeichen für einen Spitzenpolitiker. So gesehen steht es schlimm um Guido Westerwelle, der nach dem FDP-Vorsitz und der Vizekanzlerschaft nun wegen seiner umstrittenen Libyen-Politik Gefahr läuft, das Amt des Bundesaußenministers zu verlieren.

Das Mitleid kommt vom Christsozialen Bernd Posselt. Der Bayer glaubt, dass Westerwelle im Herbst 2009 das Auswärtige Amt nur aus Pflichtgefühl übernommen hat: "Westerwelle hat weder Freude an seinem Amt noch Fortune", sagt das CSU-Vorstandsmitglied, "der Minister wirkt unglücklich und strahlt Lustlosigkeit aus".

Als Europaabgeordneter kann er womöglich etwas freier reden als seine Kollegen im Bundestag. Das nutzt Posselt aus. Er fordert zwar nicht direkt den Rücktritt Westerwelles, aber er spricht über die Zeit danach - und reklamiert Westerwelles Posten für die Union.

"Das Außenamt kann nicht der Erbhof einer Partei sein", sagt er im Gespräch mit sueddeutsche.de in Anspielung auf die lange Reihe von FDP-Außenministern in schwarz-gelben Regierungen. "Die Europapolitik hat seit jeher zum Tafelsilber von CDU und CSU gehört", sagt Posselt. Auf diesem immer wichtigeren Gebiet dürfe es nicht zur Regel werden, "dass der Schwanz mit dem Hund wedelt", so der CSU-Europaabgeordnete.

In der Union gebe es viele außenpolitisch versierte Köpfe, sagt Posselt: Er hält die CDU-Politiker Philipp Mißfelder und Eckart von Klaeden für ebenso ministrabel wie seine CSU-Kollegen Christian Schmidt bis Hartmut Koschyk. Mißfelder ist außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, von Klaeden Staatsminister bei der Bundeskanzlerin. Schmidt ist Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Koschyk hat die gleiche Position im Finanzministerium inne.

Gerade in der schwelenden Euro-Krise hält der Christsoziale Posselt es für wichtig, dass Kanzleramt und Außenamt von der Union geführt werden. "So wäre Politik aus einem Guss möglich", sagt Posselt. Die momentane Konstellation hält er für "kontraproduktiv". Der CSU-Mann regte außerdem an, ein Europa-Ministerium zu gründen.

Merz und Gabriel: Auch Merkel für Libyen-Politik verantwortlich

Die Opposition hält Westerwelle ebenfalls für nicht länger haltbar - und legt ihm den Rücktritt nahe: "Er sollte der Politik einen Gefallen tun", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Ihr Ko-Vorsitzender Cem Özdemir sprach bezüglich der deutschen Außenpolitik von einer "Leerstelle". Nach Westerwelles katastrophalem Fehler mit seiner Stimmenthaltung zum Libyen-Einsatz der Nato sei Deutschland zum Unsicherheitsfaktor bei den Partnern geworden.

Dass Politiker von Grünen und SPD damals selbst Verständnis für die deutsche Zurückhaltung in der Causa Libyen zeigten, erwähnte weder die Grünen-Spitze, noch Sigmar Gabriel.

Der SPD-Chef sieht das Ansehen Deutschlands in der Welt beschädigt, allerdings macht er dafür auch die Kanzlerin verantwortlich. "Das Ruinieren des Ansehens der deutschen Außenpolitik ist schon eine Kollektivmaßnahme gewesen", sagte Gabriel.

Ähnlich formulierte es Angela Merkels einstiger Gegenspieler Friedrich Merz. Der ehemalige Unionsfraktionschef attackierte im Deutschlandfunk auch die Kanzlerin: Die Libyen-Politik der Bundesregierung stelle die "Zuverlässigkeit der deutschen Außenpolitik" in Frage. Die US-Regierung habe wahrgenommen, dass die umstrittene Position Deutschlands nicht allein von Außenminister Guido Westerwelle, sondern von der gesamten deutschen Regierung vertreten worden sei, behauptete Merz. Die Enthaltung Deutschlands zu Libyen bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat sei "in Washington nicht vergessen, das wird ein Thema bleiben".

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