Debatte um weibliche Führungskräfte:Angela Nimmermüde

Lesezeit: 3 Min.

Kanzlerin Merkel bei der Gründung des Netzwerks "Chefsache". (Foto: REUTERS)

Nach einer langen Nacht in Brüssel wirbt Angela Merkel bei einem neu gegründeten Karriere-Netzwerk für mehr Frauen in Chefetagen - erschöpft, aber mit klaren Worten.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Hat die Bundeskanzlerin nichts Wichtigeres zu tun, als sich nach der Nacht der Nächte für gerechtere Verteilung von Führungsposten zwischen Frauen und Männern einzusetzen? Hat sie nicht, am Montag, Punkt 15 Uhr, taucht Angela Merkel vor der Bosch-Repräsentanz in Berlin-Charlottenburg auf.

Die Kanzlerin trägt fliederfarben zum blassen Gesicht, sie ist erschöpft nach dem nächtlichen Dauerlauf zur Rettung Europas. Aber nicht erschöpft genug, um hier, vor Unternehmern und Wissenschaftlern, ein paar klare Worte zur Sache der Frauen zu finden.

"Fünf Prozent Frauen", sagt Merkel. "Da stimmt was nicht. Dazu kann man nichts anderes sagen." Fünf Prozent Frauen sitzen in den Vorständen deutscher Unternehmen, Tendenz rückläufig, die Bundeskanzlerin mag sich das nicht länger ansehen, erklärt sie. Ein Wandel müsse her in den Köpfen, nicht nur von Frauen. "Was müssen wir mit den Männern machen, damit sie offener für die Diversifizierung werden und dann selbst Aufgaben übernehmen, die klassischerweise Frauen übernehmen?", fragt die Kanzlerin. Hausarbeit ist da gemeint, Kindererziehung. Die Antwort bleibt Merkel erst einmal schuldig.

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"Initiative Chefsache" heißt die Veranstaltung, als deren Schirmherrin die Bundeskanzlerin hier auftritt. Nach dem letzten Frauengipfel im Kanzleramt haben Führungskräfte ein Netzwerk gegen Geschlechter-Stereotypen und Karrierehindernisse für Frauen gegründet.

Die Unternehmensberatung McKinsey ist da vertreten, IBM , Siemens, Bosch, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Caritas. Und Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin, die bei der Podiumsdiskussion berichtet, dass Frauen bei der Bundeswehr bei Tests so gut abschneiden wie Männer, bei der subjektiven Beurteilung aber "systematisch schlechter" bewertet würden. Schmidt sucht Schmidtchen, nennt die Ministerin das. Männer wollten im Beruf eben gern unter ihresgleichen bleiben.

Zunächst aber hat die Kanzlerin das Wort, die erzählt, dass sie von der Frauenquote, die sie selbst durchgeboxt hat, zunächst wenig hielt. "Aber die Befunde sind einfach dramatisch schlecht", sagt Merkel, das Fehlen von Frauen an der Spitze deutscher Firmen sei inakzeptabel und "volkswirtschaftlich nicht vernünftig". Auch wenn sich Vätermonate als "extrem segensreich" erwiesen hätten, um Familienarbeit mehr Respekt zu verschaffen: "Hier muss noch weiter gedacht werden."

Nun wüsste man von Angela Merkel natürlich gern, wie sie selbst das anstellt, so als Frau unter männlichen Weltenlenkern. Solche Dinge aber verrät die Kanzlerin nicht, überhaupt stellt sie in der Öffentlichkeit nur ungern einen Bezug zwischen ihrer Person und ihrer Politik her. Angela Merkel wollte nie als Ostdeutsche auftreten, hat das Frausein immer zur Nebensache gemacht. Dass sie beides ist, also eine ostdeutsche Frau, dürfte aber ein Dünger sein, der Merkels neues Engagement für Frauen gedeihen lässt.

Ein Firmen-Netzwerk soll her, das eine gerechte Verteilung von Spitzen-Posten bewirkt

Nun also soll ein Unternehmer-Netzwerk her, das eine andere Haltung zu weiblichen Spitzenkräften etabliert. "Die Initiative will das gesellschaftliche Bewusstsein dafür schärfen, wie tief verankerte Rollenbilder noch immer das Kommunikations- und Entscheidungsverhalten in Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen und so das Erreichen von Spitzenpositionen für Frauen erschweren", erklärt der Sprecher der Initiative. Tief verankerte Rollenbilder? Früher kümmerten sich Genderforscherinnen um solche Themen und wunden belächelt. Heute gilt das Fehlen von Spitzenfrauen als Imageproblem.

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Frauen sind oftmals besser qualifiziert als Männer, werden im Berufsleben aber benachteiligt. Wie kann sich das ändern? Nur durch weibliche Solidarität, sagt die US-Frauenrechtlerin Irene Natividad.

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Im Ziel also scheinen sich alle einig zu sein bei der Initiative "Chefsache". Nur - wie soll es erreicht werden? Das Thema ist dringlich. Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagt Cornelius Baur, Geschäftsführer der Unternehmensberatung McKinsey Deutschland. Es müssten Frauen ermutigt werden, aber eben nicht nur die. "Wir brauchen auch die Mitzieher bei den Männern, damit die Dinge anders werden."

Wie also gewinnt man Männer für eine Idee, die den Interessen ihres Geschlechts naturgemäß zuwiderläuft? "Ich stelle fest, dass es nur funktioniert, wenn man sich ganz persönlich kümmert und engagiert", sagt Angelique Renkhoff-Mücke, seit zwölf Jahren Vorstandsvorsitzende eines mittelständischen Unternehmens in Bayern. Die Revolution muss von oben kommen, soll das heißen, aus den Chefetagen, wo weibliche Führungskräfte herangezogen werden müssten - bei gleichzeitigem Coaching der Männer, die diesen Wandel als Gewinn zu betrachten hätten.

"Sind unsere Führungskräfte wirklich überzeugt, dass Vielfalt stark macht?", fragt Allianz-Vorstand Werner Zedelius. Die Antwort kennen alle im Raum. Alles eine Frage der Weiterbildung, meinen andere. Assessment-Center müssten Beurteilungsmethoden ändern, und Personaler umdenken. "Warum gelingt uns Diversität in China und in Spanien, aber nicht in Deutschland?" fragt Siemens-Vorständin Janina Kugel.

Es fehle an Ganztagsschulen, Rollenvorbildern. Immerhin, es gebe Hoffnung. Janina Kugel erzählt jetzt von ihrer Nichte, die neulich gefragt habe, was eigentlich ein Mann machen soll, der in Deutschland Kanzler werden will. Ein Job nur für eine Frau, da war das Kind sich ganz sicher.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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