Debatte um Waffen für Ukraine:Merkel angreifen, um Obama zu treffen

John McCain

Seit Januar ist John McCain der Chef des Streitkräfteausschusses im US-Senat. Der Republikaner kritisierte bei der Münchner Sicherheitskonferenz Bundeskanzlerin Merkel scharf.

(Foto: AP)

Auf tolldreiste Art fallen konservative US-Senatoren bei der Sicherheitskonferenz über Merkel und ihre Ukraine-Friedensinitiative her - dabei hätte die Kanzlerin jede Unterstützung verdient. John McCain ist sauer auf Obama und sieht Waffenlieferungen für Kiew als Beweis für Amerikas Stärke.

Kommentar von Stefan Kornelius

Angela Merkel fliegt am Sonntag nach Washington in der Gewissheit, dass sie dort mehr Feinde als Freunde vorfinden wird. Das ist eine neue Erfahrung für die Kanzlerin, der bisher ungeteilte Bewunderung von der amerikanischen politischen Klasse entgegengeschlagen war. Wie wetterwendig diese politische Klasse ist - vor allem in Wahlkampfzeiten - das hat sich nun mit ungeahnter Deutlichkeit gezeigt.

Der Sturm hatte sich bereits seit ein paar Tagen angekündigt, nun aber brach er über Merkel ausgerechnet in dem Augenblick herein, in dem ihre Vermittlungs-Initiative im Ukraine-Krieg alle Unterstützung verdient hätte. Aber dieser Krieg kennt viele Lager und noch mehr Interessen, und so musste die Kanzlerin die unangenehme Erfahrung machen, dass ausgerechnet der von ihr stets verteidigte engste Verbündete, die USA, zu einer echten Belastung ihrer Arbeit werden konnten.

Bei dem Angriff der US-Senatoren während der Münchner Sicherheitskonferenz geht es um weit mehr als um die Frage, ob die Ukraine nun stärker mit defensiven oder offensiven Waffen beliefert werden sollte. Es geht um den alten Washingtoner Großkrieg zwischen einem zurückhaltenden Präsidenten und einem international kratzbürstigen Kongress, es geht um eine sehr grundsätzliche Positionierung für den US-Präsidentschaftswahlkampf, es geht um das amerikanische Selbstbild in der Welt und es geht am Ende auch um Stil.

Es war also nicht nur stillos, sondern geradezu tolldreist, mit welcher terrierhaften Wut die Senatoren, stellvertretend für eine komplette Kongressdelegation, über die Regierungschefin eines befreundeten Landes hergefallen sind. Diplomatisch nicht weniger ungewöhnlich ist es, dass die Senatoren im Ausland über den eigenen Präsidenten hergefallen sind.

Waffen für Kiew sind für Republikaner der Beweis für Amerikas Stärke

Man kann lange darüber streiten, ob die Drohung mit einer Bewaffnung der Ukraine zur Abschreckung und zur Befeuerung der Verhandlungen klug ist oder nicht. Aber darum geht es diesen Senatoren John McCain, Lindsey Graham und Bob Corker nicht ausschließlich.

Für sie ist die Bewaffnung der Ukraine Symbol für die außenpolitische Stärke ihres eigenen Landes - oder anders gewendet: Präsident Obamas Zurückhaltung im Konflikt mit Russland, seine selbst gewählte Rolle als Akteur im Schatten von Angela Merkel, die damit verbundene Beschneidung der amerikanischen Macht - all das interpretiert die Mehrheit im Kongress als Schwäche. Und dieser Kongress empfand es nun als angemessen, seinen in der Innenpolitik eingeübten destruktiven Stil auf einen der dramatischsten Konflikte der Weltpolitik aufzustülpen.

Muss sich Merkel deshalb Sorgen machen? All das wird die Verhandlungen nicht erleichtern. Die größte Gefahr liegt darin, dass sich der ukrainische Präsident Poroschenko aufgefordert fühlen könnte, auf die amerikanische Kavallerie zu warten und den Krieg zu verlängern. Russlands Präsident Wladimir Putin wird sich die Hände reiben und einen neuen Beleg dafür haben, wie schwach und gespalten das westliche Bündnis ist.

Der Wille zur letzten Konsequenz fehlt

Diese Mehrheit im amerikanischen außenpolitischen Kosmos reagiert einerseits beleidigt ("Wir sind nicht dabei, wir sind nicht gefragt worden") und andererseits mit klassischer Konfrontationspolitik. Durchaus: Gelegentlich lehrt die Geschichte, nicht zuletzt der Kalte Krieg, dass Härte und auch die glaubwürdige Drohung mit militärischer Gewalt genau diese Gewalt verhindert und beendet haben.

Im Donbass-Krieg liegen die Verhältnisse anders, die Verhandlungen spiegeln die Komplexität des Problems wider. Wer die Eskalation sucht, der muss bereit sein, bis zur letzten Konsequenz durchzuhalten. Das ist weder der amerikanische Präsident noch ist es der US-Kongress.

Am Ende aber entscheidet Präsident Obama. Er wird sich eher auf die Seite Merkels stellen als seinen Dauerfeinden einen Triumph zu gönnen. Die Senatoren - sie hätten also besser geschwiegen.

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