Debatte um Verbot des Mohammed-Videos:"Es wäre ein Zeichen der Stärke, den Film zu zeigen"

Die Debatte um den umstrittenen Mohammed-Schmähfilm spaltet die muslimischen Verbände. Für Lamya Kaddor, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, schürt die Diskussion die Islamfeindlichkeit. Eine öffentliche Vorführung des Films hält sie für denkbar - trotz möglicher Gefahren.

Sebastian Krass

Sollte das umstrittene Mohammed-Video in Deutschland verboten werden? Die Debatte darüber spaltet die Muslim-Verbände. Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland, Ali Kizilkaya, bezeichnete das Video als "tiefgreifende Beleidigung". Auch Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime plädierte für ein Verbot.

Wurzeln in Syrien, geboren in Westfalen: Wissenschaftlerin Lamya Kaddor

Lamya Kaddor kam 1978 in Ahlen/Westfalen als Tochter syrischer Einwanderer zur Welt. Sie studierte Arabistik, Islamwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Komparatistik in Münster. Danach bildete sie an der dortigen Uni islamische Religionslehrer aus. Heute unterrichtet sie Islamkunde an Schulen. Im Jahr 2010 erschien ihr Buch "Muslimisch, weiblich, deutsch - Mein Weg zu einem zeitgemäßen Islam".

(Foto: ddp)

Lamya Kaddor, die Vorsitzende und Mitbegründerin des Liberal-Islamischen Bundes, sieht dies anders. Ihr 2010 gegründeter Verein, der nach eigenen Angaben 120 Mitglieder hat, will als "Stimme liberaler Muslime" auftreten und dabei auch zwischen den unterschiedlichen Flügeln innerhalb des Islam vermitteln.

SZ.de: Was haben Sie sich gedacht, als Sie den Film zum ersten Mal gesehen haben?

Lamya Kaddor: Ich selbst habe mich nicht provoziert gefühlt. Natürlich bin ich gläubige Muslima, aber dieser Film ist so billig, so geschmacklos und eine so kalkulierte Provokation, dass sich darüber aus meiner Sicht eigentlich nicht streiten lässt. Der Film wurde ja auch gleich auf der ganzen Welt als Hassvideo eingestuft, nirgends als Satire oder Parodie. Das hätte man eigentlich so stehen lassen können. Aber andererseits habe ich schon befürchtet, dass das wieder für Furor sorgt und zu Gewaltausbrüchen führt.

Inwiefern verstehen Sie denn, dass andere Muslime sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen?

Bis zu einem gewissen Grad kann ich die Verletzung schon verstehen, gerade in Gesellschaften, in denen die Religion den Alltag noch viel mehr prägt und wo sie noch viel emotionaler wahrgenommen wird als hier. Aber die Gewaltausbrüche haben wenig mit Religion zu tun. Im Koran steht nicht, dass man amerikanische Botschafter töten soll, wie es al-Qaida gefordert hat. Im Gegenteil, wenn man sich provozieren lässt, andere Menschen zu töten und Gebäude in Brand zu stecken, hat man Mohammed mehr beleidigt als mit so einem seltsamen Schmähvideo.

Und was hat dann die Gewalt ausgelöst?

Das hat sozio-ökonomische Ursachen. Die Gewalt kommt doch in Ländern vor, in denen es jahrzehntelang Diktaturen gab und immer noch gibt und in denen überwiegend Repression herrscht, wo es keine Meinungsfreiheit und nur eine beschränkte Religionsfreiheit gibt und in denen das Recht auf persönliche Entfaltung fehlt. Wir dürfen nicht vergessen: Eben diese Systeme sind jahrzehntelang vom "Westen" gestützt und geschützt worden. Das haben die Menschen etwa in Ägypten nicht vergessen und sie werden es auch nicht so schnell. Generationen von Menschen sind so geprägt - und das auch noch in Verbindung mit Armut und sozialer Schwäche. Die Dynamik nach den Mohammed-Karikaturen 2006 war ganz ähnlich. Viele wussten damals gar nicht, warum sie amerikanische Fahnen abfackelten. Die wollten vor allem Frust ablassen.

In Deutschland wird gerade groß diskutiert, ob man eine öffentliche Aufführung des Films in Deutschland verbieten soll. Manche wollen sogar den Film als Ganzes verbieten. Wie bewerten Sie diese Debatte?

Ich halte wenig davon. Die Debatte verläuft reflexhaft. Wenn manche Islamverbände nun Verbote fordern, kommen Muslime wieder in die Opferrolle. Wir müssen uns dem nicht jedes Mal beugen.

"Wir sollten uns nicht wie Marionetten verhalten"

Aber vielleicht sehen sich die Verbände in der Pflicht, sich vor ihre Mitglieder zu stellen.

Klar fühlen sich die Leute an der Basis vieler Verbände als Opfer. Aber wenn man einen Verein führt, muss man zwar sein Ohr an der Basis haben. Aber man muss die Basis nicht in jeder Reaktion bestärken. Ich kann schon verstehen, dass viele sagen: Schon wieder wir Muslime. Aber da muss man versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir sollten uns nicht permanent wie Marionetten verhalten.

Es sind nicht nur muslimische Verbände, die Verbote fordern, sondern auch zahlreiche Politiker von CDU und CSU.

Ja, das ist ja schon Chefsache, selbst die Kanzlerin hat sich geäußert. Dass Innenminister Friedrich ein Verbot der Aufführung und ein Einreiseverbot für einen US-Prediger verteidigt, weil uns sonst die Salafisten aufs Dach steigen, ist zwar diskutabel, macht mir aber eher Angst.

Wieso das?

Es ist einfach schwierig, wegen einer so kleinen Gruppe von Muslimen im Land so zu reagieren. Das führt nur zu Panik und ich denke, sicherheitspolitisch ist Deutschland bereits gut aufgestellt. Außerdem wäre es falsch zu suggerieren, wir in Deutschland müssten genauso Angst haben wie die Menschen in manchen Teilen Libyens. So ist schnell nicht mehr nur die Rede von aufgebrachten Salafisten, sondern von aufgebrachten Muslimen. Die ganze Debatte schürt dann letztlich die Islamfeindlichkeit.

Wie sollte man denn aus Ihrer Sicht mit dem Film umgehen, nun da man ihn nicht mehr einfach so stehen lassen kann?

Natürlich kann man den Film kritisieren. Insbesondere muss aufgezeigt werden, wer mit welchen Absichten hinter dem Machwerk steht. Sollte der Film gezeigt werden, muss man überlegen, was dagegen zu tun ist: Ihn vielleicht endlich ignorieren! Andernfalls könnte man deutschlandweit demonstrieren, ranghohe Politiker und Kirchenvertreter könnten die Vorführung erneut verurteilen. Das würde zeigen, dass nicht nur Muslime etwas gegen Rechtspopulisten und die Beschimpfung von Glaubensüberzeugungen haben. Das wäre ein stärkeres Signal als ein Verbot. Es gäbe so viele mehr rechtsstaatliche Mittel.

Aber ein Verbot zu fordern, ist doch auch ein rechtsstaatliches Mittel.

Ich halte ein Verbot der Aufführung auch nicht für völlig abstrus. Aber ich glaube, dass wir damit am Ende ein größeres Problem bekämen: Rechte Splitterparteien könnten tönen, sie würden in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten, weil die Muslime aufmucken. Das darf nicht passieren. Es gibt ja schon den Ausdruck des Sündenbock-Islams. Langfristig wird das eher zum Nachteil der Muslime ausgelegt, nicht zu ihrem Schutz. Es wäre ein Zeichen der Stärke von Muslimen, wenn dieser Film in Deutschland gezeigt wird.

Das eine ist der nationale Umgang. Aber man müsste in diesem Falle auch aus dem Ausland Aufrufe zu Gewalt in Deutschland befürchten.

Ja, die Gefahr wäre existent. Aber der Staat darf sich hier nicht erpressbar machen. Zumal der allergrößte Teil der Muslime die Aufführung tolerieren würde.

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